Drei Filme, die zu sehen lohnt
Eine Oscar-Nominierung hilft Filmen, mehr Aufmerksamkeit zu erhalten. Unsere Gewinner sind im Hinblick auf ihr Budget eher kleinere Produktion, deren Inhalte und Qualität jedoch überragend sind.
20 TAGE IN MARIUPOL
Prädikat unbedingt sehenswert
Einige wenige Journalisten der Nachrichtenagentur AP blieben in der strategisch wichtigen ukrainischen Hafenstadt Mariupol, die 89 Tage von Russland bombardiert und nahezu vollständig zerstört wurde.
Die Journalisten richten ihre Kameras und Mikrofone auf das Leid der Zivilbevölkerung. Sie filmen verzweifelte Kinder, Ärzte einer Entbindungsstation, die unter Bombenhagel versuchen, ihre Patientinnen in größter Not zu evakuieren und viele weitere Grausamkeiten.
Das Leid der Menschen im Film „20 Tage in Mariupol“ ist unmittelbar spürbar und ruft in Erinnerung, was bei vielen bereits in Vergessenheit geraten ist, in der Ukraine jedoch nach wie vor grausamer, unerträglicher Alltag ist.
Der Film erschien 2023 und hat bereits einige Preise auf Filmfestivals erhalten. Die Oscar-Nominierung in der Kategorie „Best Documentary Feature Film“ richtet nun die großen Scheinwerfer der Welt auf diese Kriegsberichterstattung. Zu Recht. Die Journalisten haben ihr Leben riskiert, diese Bilder festzuhalten und in die Welt zu senden.
Es geht um mehr
Wir wünschen diesem Film ein größtmögliches Publikum. Ein OSCAR für den ukrainischen Journalisten und Filmemacher Mstyslav Chernov und seine Kollegen und Kolleginnen vor Ort wäre mehr als verdient.
Sehen sollten diese Dokumentation all jene, die der Meinung sind, dieser Krieg ginge uns nichts an. Menschen, die von Geschichte nichts wissen wollen und Landkarten für überflüssig halten.
Wenn diese Menschen selbst das Leid der älteren Damen nicht rührt, die in eine wärmende Decke gehüllt, bei jedem Knall eines Bombeneinschlags zitternd zusammenzuckt, dann verlieren wir den Glauben an die Menschlichkeit.
20 TAGE IN MARIUPOL. Nominiert In der Kategorie Bester Dokumentarfilm
ANATOMIE EINES FALLS
Das Gegenteil von Barbie
Die Schauspielerin Sandra Hüller zeigt in ihrer Rolle im Film „Anatomie eines Falls“ das Gegenstück zu Barbie: Kein Dauerlächeln, kein perfektes Styling, kein Wunsch, jedem zu gefallen. Dafür faszinierendes Schauspiel, bei dem jeder Blick, jedes Räuspern und jeder Wimpernschlag zählt.
Sandra Hüller, Golden Globe Awards 2024 © PMC, Alamy Stock Photo
Es ist faszinierend, sie im Gerichtsprozess zu beobachten: Ihre Verletzlichkeit, ihren Mut, nicht den gängigen Klischees zu entsprechen, ihre Angst, nach dem Verlust ihres Mannes, der nach einem Sturz aus dem Chalet verstorben ist, auch den Sohn zu verlieren, der möglicherweise Zeuge des Unfalls oder des Mordes war und als Zeuge im Gerichtssaal aussagen muss.
Der Film ist weit mehr als ein Gerichtsdrama, es stellt unsere Wahrnehmungen, unsere Vermutungen und unsere Vorurteile in Frage.
Sandra Hüller ist als beste weibliche Hauptdarstellerin nominiert. Mit der gleichfalls nominierten Emma Stone in „Poor Things“ eine sehr schwer zu gewinnende Kategorie.
Wir haben Sandra Hüller schon einige Male im Schauspiel Bochum auf der Bühne erlebt. Als Penthesilea und als Hamlet hat uns selbst ihr Atmen in Atem gehalten. Einen OSCAR hat sie als Schauspielerin aus unserer Sicht verdient: Für „Anatomie eines Falls“ oder für einen ihrer nächsten Filme.
ANATOMIE EINES FALLS. Nominiert in der Kategorie Beste Hauptdarstellerin.
PERFECT DAYS
Mitten ins Herz
Der deutsch-japanische Film „Perfect Days“, Regie Wim Wenders und in der Hauptrolle Kõji Yakusho, hat eine Oscar-Nominierung als bester ausländischer Film erhalten.
Festival de Cannes 2023 © Alamy Stock Photo
Auch dieser Film stellt ein Gegenstück zu Hollywood-Glamour dar: Ein präziser, leiser, menschlicher, poetischer, ruhiger, berührender und optimistischer Film über den Alltag eines Mannes, dessen Beruf es ist, Toiletten in Tokyo zu putzen. Ein Meisterwerk von Wim Wenders, wenn man so möchte, eine Fortsetzung des Himmels über Berlin.
Den Reichtum der inneren Welt des Darstellers können wir an seiner Körperhaltung und seinen Augen ablesen und wünschen uns wohl alle, den kleinen Dingen jedes Tages so viel Freude abzugewinnen, wie die Hauptperson des Films Hirayama.
Die Kamera begleitet Hirayama vom morgendlichen Aufstehen, dem glücklichen Blinzeln in die Morgensonne, bis zum Feierabend in einem Izakaya. Wir lernen seinen jungen Kollegen kennen, dem die Hingabe und Sorgfalt, mit dem Hirayama die Toiletten putzt fremd ist und der glaubt, dass mehr Geld sein Leben entscheidend verändern würde.
Man ahnt dass Hirayama einst ein anderes Leben geführt hat und bewundert die Vertrautheit mit seiner Nichte, die ihn überraschend besucht und bei der Arbeit begleitet, bis ihre wohlhabende Mutter sie wieder nach Hause führt.
Ein cineastisches Meisterwerk, dem wir mit Begeisterung, berührt und aus ganzem Herzen einen OSCAR verleihen.
PERFECT DAYS. Nominiert in der Kategorie Bester Ausländischer Film.
Wir werden auf jeden Fall am Sonntag, den 10. März 2024 um 23:30 vor dem Bildschirm die OSCAR-Verleihung, die von ProSieben live übertragen wird, ansehen.
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Titelfoto: 92. Annual Academy Awards, Hollywood, Los Angeles © Abaca Press, Alamy Stock Photo
