Sie lesen
NOUVELLE DES LÉGUMES. GEMÜSE NICHT NUR ALS BEILAGE

NOUVELLE DES LÉGUMES. GEMÜSE NICHT NUR ALS BEILAGE

 

Dem Gemüse gehört ein Spitzenplatz

Spitzenrestaurants ohne Fleisch auf der Karte? Noch sind sie rar, einige davon aber schon mit Michelin Sternen ausgezeichnet. Zeit, dass sich was dreht.

Erst Fleisch, dann Fisch, dann Gemüse

Der britische Koch Fergus Henderson war der erste, der mit seinem Restaurant St. Johns das Prinzip “From Nose to Tail” nicht nur köstlich umsetzte, sondern auch brillant vermarktete.

St. Johns Restaurant in Smithfield war und ist eine Bastion für gute bodenständige englische Küche, in der alles vom Tier verarbeitet wird — auch aus Respekt vor dem Tier.

Die gerösteten Markknochen mit Toast und Petersiliensalat sind, trotz einer sich täglich ändernden Karte, zum Markenkennzeichen geworden. Die Liebe zum Genuss, die minimalistisch gekonnte Einrichtung und der Optimismus, den er und sein Team ausstrahlen, sind seit 1995 beständig gut geblieben eine Institution in London.

The Fish Butchery

Josh Niland, wendet in seinem Restaurant Saint Peter in Sydney Australien genau das gleich Prinzip an und verarbeitet 90 Prozent aller Teile eines Fisches. Das ist weit mehr als die Verwendung der Filets und im besten Fall noch einiger Karkassen zur Herstellung von Fischfonds, wie es sonst der Fall ist.

Sein respektvoller und vielseitiger Umgang mit allen Fischteilen hat ihn weit über Australien bekannt gemacht. Wir haben den sympathischen Koch bei seinem Vortrag für die Financial Times kennengelernt.

Die Tochter einer GloriousMe Leserin in Sydney hat seinen Masterclass-Abend besucht, an dem er Nicht-Koch-Profis den Umgang mit ganzen Fischen beibringt, und war begeistert.

Sollten Sie noch auf der Suche für ein außergewöhnliches Geschenk für einen Freund in Australien sein, hier geht es zur Masterclass-Buchung. 

Leaf to Root

Vom Blatt bis zur Wurzel lautet das Prinzip beim Gemüse. Das ist im Hinblick auf weltweit knappen Nahrungsressourcen ein hervorragendes Prinzip. Aber um beim Thema Essen zu überzeugen, muss der Geschmack an erster Stelle stehen.

Hier kommt die Kreativität ins Spiel. Mit einem Filetsteak, einer guten Sauce und geschmorten Pilzen ganz hoch in der Skala des Umami zu punkten ist relativ einfach.

Die gleiche Geschmacksexplosion mit Grünkohl zu erzeugen, dabei aber auf toskanischen Speck und/oder geräucherte Mettwürste zu verzichten, scheint schwieriger. Schneiden Sie einfach mal die Stengel von Grünkohl in kleine Stifte, blanchieren Sie diese kurz und kochen Sie die Stengel mit etwas Birnendicksaft kurz ein. Salz und zum Schluss etwas Pfeffer und Sahne dazu: Köstlich und einfach zu kochen.

Immer mehr Spitzenköche beweisen, dass es möglich und der Mühe wert ist Gemüse in den Mittelpunkt zu stellen.

Die Hemmschwelle, in einem hervorragenden Restaurant wie dem Essigbrätlein in Nürnberg knapp 200 Euro für ein rein vegetarisches Menü zu investieren, das mit Sellerie und Birne beginnt, sich mit Rosenkohlkronen und Fenchel mit Steckrüben fortsetzt und schließlich beim siebten Gang mit Schleheneis und Kakaobohnen abschließt, ist hoch. 

Warum eigentlich?

Während bei Stars wie Steinbuttfilet und Wagyu-Rind ein hoher Preis akzeptiert wird, gesteht man dem Gemüse, zumindest in Europa, nur eine Statistenrolle zu. Steckrübe und Wurzelknollen, die nun in Gourmet-Restaurants auf der Karte stehen, erinnern an karge Kost und Hunger in Kriegszeiten.

Dabei stecken gerade in Wurzelknollen sehr viele Nährstoffe und ein köstlicher Geschmack. Diesen zu extrahieren, kostet jedoch mehr Zeit und Mühe als einen guten Lieferanten für ein Dry Aged Steak zu finden.

Der Bauer. Der Gärtner. Der Koch.

Ein Restaurant, das Gemüse auf Spitzenniveau serviert, hat in der Regel einen eigenen Gemüsegarten und dazu noch Bauern und Gärtner, die darauf eingestellt sind, dass diese Restaurants gerne auch das verarbeiten, was sonst nicht verkauft werden kann, beispielsweise Gemüse, dass bereits geschossen ist, die jungen Krönchen vom Rhabarber, alte Obst oder Gemüsesorten. Und das alles am liebsten noch am morgen frisch geerntet für das Mittagsmenü.

Die Gewohnheit, Geschmack wegzuwerfen

In jedem Supermarkt ist in der Gemüseabteilung eine große Kiste zu finden, in die man „das Grünzeug“ etwa die Blätter von Kohlrabi und Möhren entsorgen kann und selbst der ein oder andere Gemüsehändler erkundigt sich, ob er die Blätter des Blumenkohls und die dunkelgrünen Teile des Lauchs für den Kunden entsorgen soll.

Diese Teile des Gemüses, die es entweder gar nicht mehr in das Regal schaffen oder dort in die Kiste geworfen werden, sind genau die Teile, die besonders viel Geschmack enthalten und oft interessant zubereitet werden können.

Gute Gemüseköche lieben die Stengel, die egal ob bei Petersilie oder Brokkoli den meisten Geschmack enthalten. Chips aus Kohlrabiblätter oder fermentierter Rosenkohl sind jedoch noch Exoten.

Extravaganz oder überlebensnotwendig

Köstlichen Genuss mit Gemüse kann jeder umsetzen ohne ein Restaurant zu besuchen, das Gemüse zelebriert und dafür mit Sternen des Guide Michelin ausgezeichnet wurde.

Wir hoffen, dass sich das Gemüse immer stärker einen Spitzenplatz auf dem Teller erobert. Denn zum einen gilt das Prinzip möglichst alles zu verwerten gleichermaßen für Fleisch, wie für Fisch und für Gemüse. 

Zum anderen besteht die Gefahr, dass in den Kostensteigerungen, die wir alle im Moment erfahren, die tapferen Bauern, die lokales, organisches Obst und Gemüse anbauen, dabei alte Sorten pflegen und ihre Waren auf dem Markt Markt oder im Hofladen anbieten, untergehen. Sie brauchen Kunden, um überleben zu können.

Gibt es sie nicht mehr, können alle, die nicht den Luxus eines eigenen Gemüsegarten besitzen, nur noch traurig auf in Plastik eingeschweißte Brokkoli-Köpfe im Supermarktregal blicken.

Unsere Empfehlung zum Einstieg

Lust darauf, vom Gemüse weit mehr als gewohnt zu verarbeiten macht das hervorragende Buch LEAF TO ROOT von Esther Kern, Sylva Müller und Pascal Haag.

Es enthält interessante Interviews mit drei außergewöhnlichen Köchen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, die mit Gemüsezubereitungen experimentieren sowie ein Gespräch mit einem Lebensmittelchemiker, denn oft mischt sich auch ein wenig Angst darunter, es könnte giftig sein, wenn ungewohnte Gemüseteile verarbeitet werden.

Das Buch LEAF TO ROOT liefert viele Anregungen für eine neue Wertschätzung von Gemüse und enthält auch hervorragende Rezept, sich in neue Zubereitungsarten vorzuwagen. Beispielsweise die dunklen Teile des Lauchs mit Berberitzen zu einem köstlichen Reis zu verarbeiten oder Kartoffel-Brokkolistrunk-Bratlinge zu probieren.

Die Mehrzahl der Rezepte kommt mit wenigen Zutaten aus. Man nimmt das Buch auch völlig unabhängig von Zubereitungsüberlegungen aufgrund der interessanten Einsichten gerne zur Hand, um darin zu lesen. Mit seiner interessanten Typographie und hervorragenden Fotografien ist es für jeden visuellen Ästheten ein Genuss.

Siehe auch

Möchten Sie gleich mit der Umsetzung beginnen, kochen Sie Ihre nächste Gemüsebrühe ohne Abschnitte:

Waschen Sie Karotten, Lauch, Knollensellerie und hacken sie diese in große Stücke. Um den Geschmack zu erhalten, schälen Sie das Gemüse nicht und lassen Sie alle dunkelgrünen Teile des Lauchs auf jeden Fall dabei. Halbieren Sie Zwiebeln (ebenfalls mit Schale) und geben Sie alle Teile in den Ofen, um es dort bei 200 Grad etwa 20 Minuten zu rösten.

Haben die Gemüseteile schöne Röstaromen, kommen sie mit Ingwerstücken, Wacholderbeeren, einem Lorbeerblatt und einigen getrockneten Shitake Pilzen in einen Topf, werden mit kaltem Wasser bedeckt und können dann 2 Stunden leicht vor sich hin köcheln. Gewürzt wird die Brühe mit Misopaste und Sojasauce.

Gönnen Sie sich eine gute Sojasauce

Sojasauce entsteht aus der Fermentierung von Sojabohnen. Hier kann man zum bekannten Industrieprodukt greifen, bei dem die „Fermentierung“ nur wenige Stunden dauert und der Geschmack durch eine Reihe von Zusätze erreicht wird, oder man kann eine qualitativ hochwertige Sojasauce in der eigenen Küche Einzug halten lassen.

Dazu muss man nicht mal japanische Schriftzeichen lesen können, die es ermöglicht würden, sich in die Feinheiten des umfangreichen japanischen Sojasaucen-Angebotes einzuarbeiten, sondern kann sich die Sojasauce von Tomasu, die vor den Toren von Rotterdam produziert und drei Jahre lang fermentiert wird, einfach online nach Hause schicken lassen.

Wir haben schon einige Sorte der Tomasu Sojasauce ausprobiert und sind begeistert. Danach möchten man kein schnelles Sojasaucen-Fabrikprodukt mehr in seinem Schälchen.

Am Anfang und am Ende

Fermentieren, das Haltbarmachen von Lebensmitteln mittels Milchsäuregärung ist eine uralte Methode, die wichtig war, als es noch keine Kühlschränke gab. Fermentierte Lebensmittel wie das altbekannte Sauerkraut oder der koreanische Weißkohl, Kimchi, um nur zwei zu nennen, sind wahre Gesundheitspakete.

Köche lieben fermentierte Gemüse, da die Fermentation eine interessante Geschmackskomponente liefert.

Da Sie vermutlich keine Küchenbrigade führen und wenig Zeit haben, Gemüse selbst zu fermentieren, empfehlen wir Ihnen zum Schluss unseres Plädoyers für das Gemüse eine visuelle Köstlichkeit: ARTE zeigt die buddhistischen Nonne Jeong Kwan, die in Gourmet-Kreisen mittlerweile berühmt ist, bei der Zubereitung von Gemüse und mit den riesigen Tonkrügen, in denen sie Saucen fermentieren lässt. 

Die sympathische Äbtissin des Baegyangsa-Tempels lebt mit zwei weiteren Nonnen in der Chunjinam-Eremitage, etwa eine Autostunde von Seoul entfernt. Ihr beim Frittieren von Blüten in Reismehl mitten in der koreanischen Berglandschaft zuzusehen, ist ein visueller Genuss.

Begleiten Sie die Nonne, in diesem ARTE-Film auf das Feld und in den Wald. Nach diesem wunderbaren Film sehen Sie Gemüse mit völlig anderen Augen.

#Werbung #Produktplatzierung #UnabhängigeEmpfehlung #BecauseWeLoveIt

Fotografien © GloriousMe

Print Friendly, PDF & Email
Nach oben