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KEINER WIRD UM ETWAS BITTEN

KEINER WIRD UM ETWAS BITTEN

 

 

DAS NEUE BUCH VON SERHIJ ZHADAN

Für Leser mit Herz und Verstand, die wenig Zeit haben. So wie die Menschen in der Ukraine

Oster-Lektüre

Heute, am Grün-Donnerstag, werden Sie die Lektüre diverser Rezepte vermutlich bereits beendet und entschieden haben, welchen Fisch Sie genießen werden, ob es Lamm oder ein veganes Gericht geben soll um Ostern zu feiern.

Daher empfehlen wir als darauffolgende Lektüre, das neue Buch des Schriftstellers Serhij Zhadan, der 2022 in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen bekam.

Die Lektüre wird Sie wenig Zeit kosten, denn die 165 Seiten lassen sich in kürzester Zeit lesen. Es bleibt also genug Zeit für alle geplanten Aktivitäten zu den Osterfeiertagen.

Serhij Zhadan, mittlerweile freiwillig Soldat der 13. Brigade der Nationalgarde der Ukraine beschreibt in sehr reduzierter Sprache das tägliche Leben in der Ukraine. Es sind skizzenhafte Kurzgeschichten.

Unaufgeregt

Die Sprache von Serhij Zhadan hat sich verändert. Sie ist mittlerweile spröde, unemotional, ohne Umschweife, auf das Wesentliche konzentriert. Die Sprache passt zu dem, was er beschreibt: Die Menschen in der Ukraine sind jederzeit an jedem Ort von todbringenden russischen Waffen bedroht: Im Restaurant in Dnipro, auf dem Spielplatz in Krimi Rih, auf dem Weg zur Kirche, wie am vergangenen Palmsonntag im ukrainischen Ort Sumy.

Da bleibt keine Zeit für lyrische Umschreibungen. Sprache konzentriert sich auf das Wesentlich im Dialog zwischen den Menschen, die im „Alltag des Krieges“ keine Zeit zu verschwenden haben. Sie sprechen über Beerdigungen, Hochzeiten, das Krankenhaus und Kinder, die zu Waisen geworden sind. Die wenigen Worte die sie dabei verwenden sind ausreichend, um alles zu verstehen, auch das was nicht ausgesprochen wird.

Skizzenhafte Zeichnungen illustrieren das Buch.

Ein Buch über Menschen für Menschen

Es ist ungemein spannend den Menschen im Buch zu folgen. Wir lesen die schnörkellose, scheinbar umemotionale Sprache, mit der ihr Leben in kompletter Schutzlosigkeit begreifbar wird, werden aber nicht zu Voyeuren sondern zu emphatischen Mitmenschen.

Der Suhrkamp Verlag hat die deutsche Übersetzung des Buches am 17. März 2025 veröffentlicht. Genau 17 Tage nach der Demütigung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office des Weißen Hauses der Vereinigten Staaten von Amerika.

Siehe auch

Diese Inszenierung, über die man im Kreml jubelte, hat jegliche menschliche Empathie für das Leid der Bevölkerung in der Ukraine vermissen lassen. Dieser Menschenverachtung braucht man sich nicht anschließen. Man kann das Gegenteil tun und zum Beispiel dieses Buch lesen.

Es schützt davor, die täglichen Nachrichten aus der Ukraine zu verdrängen und wach und aktiv zu bleiben so wie es alle Menschen in der Ukraine zwangsläufig müssen. Egal ob Sie im Kriegsjahr 1945 Kind waren und nun den nächsten Krieg in der Ukraine erleben müssen oder im Kriegsjahr 2025 ihre Kindheit erleben: „Ganz jung. Ganz arm… Spitzbübische, eindringliche Kinderaugen… Sie schauen in die Zukunft, sehen irgendetwas. Etwas, das man nicht erkennen kann, wenn man sich nicht an ihre Stelle versetzt. Etwas Langandauerndes Kompliziertes, voll Schmerz, voll Freude“.

Direkter als jedes Interview

Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen am 22. März 2025 antwortete Serhij Zhadan auf die Frage, warum er nicht mehr, wie in der Vergangenheit auch nach Deutschland reist um für die Unterstützung der Ukraine zu werben: „Es ist schwierig, einer Öffentlichkeit, die auf ein brennendes Haus schaut, zu erklären, warum die Menschen darin gerettet werden müssen.“

Der Berliner Tagesspiegel schreibt zu diesem Buch: „Wer auch nur eine dieser Geschichten gelesen hat, wird sie so schnell nicht vergessen.“

Fotografien © GloriousMe 2025

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