Ich will mein altes Leben nicht zurück
Aus FOMO, Fear Of Missing Out, ist HTMO geworden: Happy To Miss Out
Es tobt die Normalität
Die Verlockung ist groß. Vieles scheint Post-COVID wieder möglich zu werden. Schrittweise kommt Normalität zurück, wenn auch oft mit drei Schritten nach vorn und zwei zurück.
EM, Wimbledon, Feiern und Live-Kultur kehren, mehr oder weniger dosiert, zurück.
Macht die Limitierung dieser Ereignisse mit wenigen Zuschauern sie noch erstrebenswerter?Wächst so die Furcht, etwas zu verpassen?
Verrückt
Das Motto des diesjährigen Sommerfestival der Musik in Luzern lautet: Verrückt. Ein smartes Thema, das in zweifacher Hinsicht sensibilisiert.
Der Komponist Robert Schumann wurde nach einem Suizidversuch für verrückt erklärt und in eine Anstalt eingeliefert. Sein geniales Werk erlebt gerade mit Christian Gerhaher und Gerald Huber eine Renaissance. Die Zahl der Schumanianer wächst.
Ver-rückt haben sich als Folge der Pandemie auch die Sichtweisen auf das alte Leben.
„Das muss ich mir nicht länger antun“
In der vergangenen Woche haben wir diesen Satz gleich von drei Seiten gehört:
Der erfolgreiche Bankmanager meinte damit, dass er im privaten Bereich nicht mehr gewillt ist, mit Menschen Zeit zu verbringen, denen es an Respekt und Höflichkeit mangelt.
Die Apothekerin wägt immer stärker ab, was ihr Lebenszeit und Freude nimmt und konzentriert sich auf den Rest.
Der Finanzvorstand erklärt, dass er auf ungebetene Ratschläge von Menschen, die keine Ahnung haben, in Zukunft gerne verzichtet.
Bei allen drei Personen hat die Radikalität, mit der sie diese Vorsätze umsetzen, aufgrund der Pandemie-Erfahrung, zugenommen.
Aus der Angst, etwas zu verpassen, ist der Wunsch geworden, gerne darauf verzichten zu wollen.
Keine Feier ohne Meier ist so gestern
Unfreiwillig hat sich für die meisten von uns ein Rückzug ergeben. Aus den persönlichen Erlebnissen wurden Online-Events. Obwohl fast alle Reisen wegfielen, erlebten die meisten diese Zeit in beruflicher Hinsicht noch arbeitsintensiver und anstrengender als zuvor.
Die Wertschätzung der Lebenszeit hat sich erhöht. Der Angst dabei sein zu müssen, ist dem Gefühl gewichen, gerne Dinge zu tun, die auf den ersten Blick weniger Prestige haben, aber dafür die Seele baumeln lassen.
Freiheit statt Fingerfood
Der zwangsläufige Abstand hat gleichzeitig eine stärkere Reflexion der Oberflächlichkeit vieler Ereignisse mit sich gebracht.
So sehr es am Anfang der Pandemie geschmerzt hat, Termine aus dem Kalender zu löschen: Plötzlich spüren wir überall eine große Zurückhaltung, den privaten Kalender möglichst rasch wieder randvoll zu füllen.
Eine Stunde im Botanischen Garten ist für einige nun erstrebenswerter als so mancher Smalltalk bei Fingerfood und Drinks.
Was GloriousMe daraus gelernt hat
Ein Investment an Zeit nur dort, wo Hirn und Herz in gleichem Maße vorhanden sind.
Besserwisserei gepaart mit gnadenloser Selbstdarstellung: Ohne uns. Sucht Euch ein anderes Publikum.
Sternerestaurant oder einfache Weinstube: Liebend gerne und mit Gusto. Gastronomie ohne Gastfreundschaft? Da bleiben wir lieber Zuhause.
Und das mit frohem Gemüt: Happy to miss out. Wir wollen unser altes Leben nicht zurück.