Von beneidenswert zu bemitleidenswert – oft nur ein kleiner Schritt
„Envy is a really stupid sin, because it’s the only one you could never possibly have any fun at. There’s a lot of pain and no fun. Why would you want to get on that trolley“ Charles T. Munger
Neid zerstört
Charles T. Munger, meist Charlie genannt, der erfolgreiche 99-jährige Investor, Vice-Chairman von Berkshire Hathaway und enge Partner der Investmentlegende Warren Buffet, kommt in Interviews oft auf das Thema Neid zu sprechen.
Und ist damit in bester Gesellschaft mit Philosophen wie Kant, Kierkegaard oder Schopenhauer und Literaten wie Shakespeare, die dieses Thema fasziniert.
Neid kennen wir alle. Die meisten halten sich jedoch instinktiv an den Rat von Charlie Munger.
Nicht so Prinz Harry. Neid entsteht nach Ansicht von Psychologen oft bei Personen, deren Ausgangslage nicht sehr unterschiedlich. Neid führt zu dem Wunsch, dass andere, die Dinge, um die man sie beneidet, verlieren.
Sind das, wie im Fall des Buches von Prinz Harry die eigenen Familienmitglieder, ist die Gefahr groß, letztlich alles zu verlieren und sich damit selbst zu zerstören.
Mit kühlem Blick
Die Autobiographie von Prinz Harry „Spare“ oder in der deutschen Übersetzung „Reserve“ und seine Interviews, sind übervoll mit emotionsgeladenen Beschreibungen von empfundenen Verletzungen, Zurücksetzungen, vermeintlichen Intrigen und Andeutungen, dass noch vieles weiteres enthüllt werden könnte, das er rücksichtsvoll (bislang) zurückgehalten habe.
Waterstones bookshop in Piccadilly © Jeff Gilbert/Alamy Stock Foto
Gefragt danach, warum er nicht den Adelstitel des englischen Königshauses, von dem er sich so hintergangen und ausgebootet fühlt, zurückgibt und fortan ausschließlich als Privatmann die Sonne Kaliforniens geniest, wird Prinz Harry’s Blick plötzlich eiskalt und die Antwort lautet „Was würde das ändern?“.
Ebenso kühl ist unsere Analyse: Der Prinz hat die Honorare für seine Aussagen mit seinem Verlag, Netflix und anderen Partner im Mediengeschäft gut verhandelt aber letztlich alles verloren.
Ob mit Kalkül und/oder aus Naivität wird sich zeigen. Neid scheint eine entscheidende Rolle dabei gespielt haben.
„Das Feigenblatt des Neides ist sittliche Entrüstung“ (Karl Kraus). Ein Grund, warum Neid gerne auch politisch instrumentalisiert wird.
Was ist schlimm an der Reserve als Thronfolger?
Niemand kannte die Erbfolge im britischen Königshaus besser als Prinz Harry, der sie mit Sicherheit in den ersten Tagen seines Lebens bereits spürte. Damals stand er, nach seinem erstgeborenen Bruder William, noch weit oben in der Reihenfolge potentieller Thronnachfolger für Queen Elizabeth II.
Aber im Unterschied zu einer erhofften beruflichen Beförderung, bei der die Bevorzugung eines Kollegen oder einer Kollegin, aus welchen Gründen auch immer, sehr schmerzt, war Prinz Harry klar, dass es bei der Thronfolge eindeutig definierte Regelungen gibt, die dem Erstgeborenen die Nachfolge zusprechen.
Ebenso klar war, dass im Hinblick auf seine Ausbildung und sonstige Privilegien alles getan werden würde, damit er die gleich gute Ausgangslage erhält wie sein Bruder, sollte die Situation entstehen, dass er zum Thronnachfolger würde.
Seinem Vater Charles und seinem Bruder William war es nur mit einer Ausnahmegenehmigung der früheren Regentin Queen Elizabeth II erlaubt, gemeinsam in einem Flugzeug zu reisen. Diese sehr seltene Ausnahme wurde erteilt, als Princess Diana tödlich verunglückte.
An der Spitze des britischen Königshauses zu stehen, ist, trotz konstitutioneller Monarchie, nur auf den ersten Blick ein Vergnügen. Als König Charles III offiziell vom Thronbesteigungsrat, dem Accession Council, zum britischen König erklärt wurde, nahm er diese Aufgabe auch mit den Worten an:
“And in carrying out the heavy task that has been laid upon me, and to which I now dedicate what remains to me of my life, I pray for the guidance and help of almighty God“.
Vorhang geschlossen und keine Fragen mehr offen
Natürlich werden Harry und Meghan eine Einladung zur offiziellen Krönung von Prince Charles III im Mai diesen Jahres erhalten. Die Zeiten, in denen man in solchen Fällen das Schwert zückte, sind vorbei.
Natürlich werden Harry und Meghan diese Einladung freudig annehmen, steigert doch die weltweite Medienberichterstattung ihren eigenen Marktwert für weitere Bücher, Interviews oder Netflix-Serien.
Natürlich wird bei laufenden Kameras ein Lächeln auf allen Gesichtern zu sehen sein.
Vermeintliche oder echte Gefühle anderer kann niemand beurteilen. Aber eines können die beiden nicht mehr erwarten: Ein offenes, ehrliches Gespräch im Familienkreis, das helfen könnte.
Die Neue Züricher Zeitung titelte: „Der Prinz, der seine Familie verkauft“. Keiner der Beteiligten und in seinem Buch erwähnten Personen wird die geringste Neigung dazu verspüren, in neuen Episoden erneut verkauft zu werden.
Das englische Königshaus wird es überleben
Neid entsteht oft zwischen Menschen, die um ähnliches konkurrieren oder sich in sonstiger Weise nahe stehen, wie Geschwister, Kollegen, Freunde, Experten.
Neid ist jedoch kein Naturgesetz.
Wenn Sie selbst Neid ausgesetzt sind, trösten Sie sich mit den Worten von Jacques Prévert: „Man sollte lieber Neid als Mitleid erregen“.
Charlie Munger bestreitet auch in seinem hohen Alter die Hauptversammlungen von Berkshire Hathaway in Omaha, zu denen Anhänger des Value Investing pilgern.
Er ist bekannt dafür, nach den Ausführungen seines langjährigen Partners Warren Buffet zu sagen: „I have nothing to add“.
Titelbild: Prinz William und Prinz Harry bei der Premiere von Star Wars 2017, The Royal Albert Hall, London © Doug Peters/Alamy Stock Foto