Sie lesen
DRAUSSEN VOR UNSERER TÜR

DRAUSSEN VOR UNSERER TÜR

 

Der Krieg gegen die Ukraine

Olena Selenska, die Frau des ukrainischen Präsidenten wiederholt es in ihre Reden und Interviews immer wieder: Wir haben Angst, vergessen zu werden.

Ein kleines Fenster der Aufmerksamkeit

Die Befürchtung, vergessen zu werden, ist nicht unbegründet. Rund um den 24. Februar 2023, dem Jahrestag des traurig-bittren Beginn des Krieges gegen die Ukraine, wird viel über den Krieg berichtet. 

Doch welche Aufmerksamkeit wird die Ukraine nach diesem Jahrestag erfahren? Werden Interviews, Texte, Gedichte, Romane, Dokumentarfilme, Fotokunst oder Nachrichtensendungen sich anderen Themen zuwenden?

First Lady der Ukraine Olena Selenska in Kyiv © Ukrinform / Alamy Live News

Wird die Frage, die Olena Selenska immer wieder gestellt wird — ob man sich an den Krieg gewöhnen könne, hinter vielen Türen Realität?

Dreizehn Türen

DOORS ist der Titel der Installation, die der junge ukrainische Künstler Ruslan Kurt in Kanada zeigt. Den dreizehn Türen aus der Ukraine stammen, gelingt, es den Krieg nahe zu bringen:

Die alte Holztür eines ländlichen Cafés. Die Tür einer Schultoilette. Die zersplitterte Tür, die einstmals zu einer Terrasse geführt hat. Eine Tür, die Feuer gefangen hatte und deren verschmorter Geruch immer noch in die Nase steigt, wenn man sich ihr nähert.

Alle dreizehn Türen stammen aus der Ukraine, wurden zunächst in einer Galerie in Kyiv gesammelt und von dort nach Kanada transportiert. Im Rahmen eines Kunstprojektes waren die Türen bereits in einigen Städten Kanadas zu sehen und sind aktuell in Toronto zu sehen.

Die Sicherheit, keine Sicherheit zu besitzen

Egal welche Tür man am Abend hinter sich schließt: Die Tür zu einem winzigen Zimmer oder einer großzügigen Villa. Die geschlossene Tür vermittelt Schutz und Geborgenheit, vor dem, was draußen vorgehen mag. Im besten Fall bedeutet sie einfach einfach nur Stille und Zuhause.

Die zerstörten Türen lassen nachvollziehen, wie schwierig es sein muss, ohne diese Zuflucht einer verschlossenen Tür bereits seit knapp 365 Tagen leben zu müssen. Jederzeit kann die Tür durch einen russischen Raketenangriff zerstört, in Brand gesetzt, zersplittern, eingeschlagen, bombardiert werden.

Egal, ob es sich um ein Wohnhaus, eine Schule, einen Kindergarten oder ein Krankenhaus handelt. Nirgendwo ist Ruhe. Nirgendwo ist Sicherheit. Die einzige Sicherheit besteht darin, genau zu wissen, dass die schlechten Nachrichten über Verletzungen oder den Tod von Freunden und Angehörigen bis auf weiteres nicht abreißen werden.

Draußen vor unserer Tür

Präsident Wolodymir Zelensky, seine Frau Olena Selenska, ukrainische Diplomaten, Künstler wie Serhij Zhadan und viele mehr, versuchen seit einem Jahr uns nahe zu bringen, dass sich der brutale Krieg gegen die Ukraine direkt vor unserer Tür abspielt.

Sie dringen mit dieser Botschaft nicht bei allen durch.

Das Grauen vor der Tür

Im Drama „Draußen vor der Tür“ von Wolfram Borchert kehrt ein Mann gezeichnet vom Krieg heim und muss feststellen, dass das Grauen, das er draußen erlebt hat, niemanden drinnen, hinter der Tür mehr interessiert.

Die Tür war viel zu lange geschlossen

Siehe auch

Geschichtsprofessor Timothy Snyder erläutert es in seinen Online-Vorlesungen der Yale University „The Making of Modern Ukraine“, die kostenlos via YouTube zu sehen sind.

Wir sollten auch nach diesem traurigen Jahrestag nicht müde werden noch mehr über und aus der Geschichte lernen und die Menschen in der Ukraine unterstützen. 

Diese Unterstützung ist keine Wohltätigkeit, sie ist eine Investition in Türen, die hoffentlich bald wieder für alle Menschen in der Ukraine und für uns Aufatmen bedeuten können und die für die Werte, die uns wichtig sind, offen bleiben.

 „Die Wahrheit und die Liebe müssen die Lüge und den Hass besiegen“

Václav Havel

Illustrationen © GloriousMe

 

Nach oben