Noch ist der Zauber dort zu spüren
Zu Städten wie Barcelona, New York und Paris gibt es unzählige Reiseführer.
Palermo haben die meisten etablierten Anbietern von Travelguides noch nicht im Programm. Das wird nicht lange so bleiben. Bei amerikanischen Touristen ist die Stadt beispielsweise längst ein wichtiger Stop auf ihrer Italienreise, bevor es im Eiltempo weiter nach Rom, Siena und Venedig geht.
Die Zahl der Restaurants, die mit ihren laut schreienden Speisekarten Touristen anlocken möchten, steigt von Jahr zu Jahr und immer mehr alteingesessene Fachgeschäfte schließen, damit an gleicher Stelle ein weiteres Fastfood-Outlet entstehen kann.
Doch noch spürt man den Zauber von Palermo an vielen Stellen und ein Besuch wird Sie mit unvergesslichen Eindrücken belohnen. Sie sollten jedoch sehr bald nach Palermo reisen und sich ein paar Tage Zeit nehmen, um den Charme dieser Stadt kennenzulernen.
Schon der Anflug zum Flughafen von Palermo und die Reise in die Stadt, am besten mit dem Zug, der direkt im Erdgeschoss des Flughafen-Terminals in die Innenstadt abfährt, lässt den Atem stocken. Die Bucht, an der Palermo liegt, flankiert vom Monte Pellegrino und dem Monte Catalfano, zeigt die Stadt Palermo mit dem meist tiefblauen Meer und hochaufragenden, schroffen ockerfarbenen Felsen gleich von ihrer besten Seite.
Die strategische Lage Palermos führte dazu, dass Normannen, der Stauferkönig Friedrich der II., Frankreich, Spanien und Österreich Palermo eroberten und eine Reihe herausragender Bauwerke hinterliessen, bevor es schließlich Teil des damaligen Königreiches Italien wurde.
Wenn Sie nun einen typischen Artikel zu Palermo erwarten „Was sind die Top Attraktionen, wo gibt es das beste Essen und welches Hotel liegt in welcher Preisrange“, dann möchten wir Sie an dieser Stelle warnen. Hierzu werden Sie weniger Informationen im folgenden Artikel finden. Aber dafür, ein leidenschaftliches Plädoyer für einen Besuch in Palermo, der Sie vielleicht inspiriert, einen eigenen Besuch dort zu planen.
Eleganz ohne Weichspüler
Palermo bietet in unmittelbarer Abfolge die widersprüchlichsten Eindrücke: Abendmode von einmaliger Eleganz und erfahrene Maßschneider für den perfekten Anzug. Wunderschöne Häuser und Paläste, die dem Zerfall preisgegeben sind, weil sich noch kein Investor gefunden hat, der ihnen zu neuem Glanz zu verhelfen möchte. Und: Viele sehr herzliche, hilfsbereite Palmeritaner. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 57 Prozent.
Die Mafia hat nach wie vor enorme Macht und Einfluss, auch wenn sie für Außenstehende nicht präsent ist, da Wirtschaftsverbrechen oder internationaler Drogenhandel in der Regel nicht sichtbar sind und Morde auf offener Straße seltener geworden sind.
Am 23. Mai 1992 wurde der Richter Giovanni Falcone, der mit großem Mut und Erfolg die Verbrechen der Mafia aufklärte, auf dem Weg vom Flughafen in sein Landhaus bei Palermo mit einer 500-Kilogramm-Bombe getötet — obwohl alle seine Reiserouten unter strengster Geheimhaltung standen. Mit ihm starben seine Frau und einige seiner Leibwächter.
Für viele Italiener hatte dieses Attentat die gleiche Wirkung wie der Anschlag am 11. September 2001 auf die Twin Towers in New York. Wenige Wochen danach starb ein weiterer profilierter Richter, der sich gegen die Mafia einsetzte, Paolo Borsellino, durch ein Attentat.
Beide Richter sind bis heute unvergessen und ihre Portraits an vielen Häuserwänden in Palermo zu sehen. Auf der Autobahn vom Flughafen in die Innenstadt erinnern unübersehbare Stelen an das Attentat an Giovanni Falcone. Es war zugleich der Beginn einer Anti-Mafia-Bewegung innerhalb breiter Gesellschaftsschichten Italiens.
Die wenigsten Reisenden, die in der Antica Focacceria S. Francesco, in wunderschönem Jugendstil Ambiente, die Variationen der sizilianischen Kroketten, frittiertes Gemüse, gebratene Milz mit Zwiebeln im Brötchen oder andere Köstlichkeiten geniessen, wissen, dass sie damit einen kleinen Beitrag zum Widerstand gegen die Mafia leisten.
Der Besitzer der Focacceria war einer der ersten, der sich vor einigen Jahren weigerte, die bis dahin üblichen Schutzgelder an die Mafia zu zahlen. Er lebt seitdem unter ständigem Polizeischutz.
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Die Herausforderungen der Stadt Palermo ziehen zum Glück auch immer wieder herausragende Persönlichkeiten an und die Palermitaner wählen seit Jahren weltoffene, liberale Bürgermeister, die viel für ihre Stadt erreichen.
Das renovierte Opernhaus Teatro Massimo sollte sich kein Liebhaber von Oper und Architektur entgehen lassen. In den vielen prachtvollen Kirchen der Stadt gibt es hervorragende Konzerte und der Palazzo Butera wurde von wohlhabenden Kunstliebhabern renoviert und bietet moderne Kunst in beeindruckenden Räumen, ein hervorragendes Café und eine wunderbare Terrasse mit Blick auf das Meer.
Eine Reihe weiterer Adelspaläste, wie der Palazzo Forcella de Seta können besichtigt werden. Viele enthalten ein kleines Teekabinett, deren Wände vollständig mit Motiven aus Japan und China bedeckt sind, die vorzugsweise in den Farben Silber und Gold gehalten sind. Wahre Kleinode und Zeugnisse der damaligen Begeisterung für exotischer Motive aus den Herkunftsländern des Tees.
Die Besichtigungsmöglichkeiten der einzelnen Paläste variieren. Manche sind nur während Kunstereignissen geöffnet, andere wiederum kann man nur mit Gruppenführungen besuchen. Idealerweise eruiert man die aktuelle Lage vorab beim Concierge des Hotels.
Allein der Botanische Garten bietet jedem Fotobegeisterten unendliche Motive. Denn so wie die ganze Stadt nicht glatt und glänzend, sondern an vielen Stellen noch rauh und unverputzt ist, kann man im Botanischen Garten eine elegant renovierte Halle zu Ehren der berühmtesten Botaniker sehen, gleichzeit gibt es morbide wirkende frühere Gewächshäuser, die sich selbst überlassen zu sein scheinen.
Das was Städte wie Berlin über lange Jahre hinweg attraktiv gemacht hat und dort mittlerweile an vielen Stellen künstlich als „Shabby Chic“ rekonstruiert wird, kann man in Palermo noch im Dornröschenschlaf erleben.
Von Morgens bis in die Nacht, ein kulinarisches Paradies
Kulinarisch lässt Palermo keinen Wunsch offen. Vom hervorragenden Café mit Cornetto am Morgen bis zum letzten Drink ein einer hippen Bar in der Altstadt ist hier alles in bester Qualität vorhanden.
Hervorragende Restaurants wie das Quattro Romani sind stolz auf die Regionalität ihrer Zutaten und geben im Detail auf einer Landkarte Siziliens ihre Quellen der Lebensmittel an. So genießt man Thunfisch, der vor der Küste Siziliens gefangen wurde, hervorragendes Rindfleisch aus dem Landesinneren und wo könnte man frischeres, geschmackvolleres Gemüse als in Sizilien bekommen?
Das einzige „Problem“ sind die hervorragenden Cafés, wie die Pasticceria Costa in der Via Maqueda 174, die kleine süße Verführungen auf höchstem Patisserie-Niveau anbieten, aber auch phantastische Granita, Sorbet- und Eissorten, letztere gerne, wie in Sizilien üblich, in einer Brioche.
Mit Wehmut denkt man nach der Rückkehr aus Palermo an jede dieser Köstlichkeiten zurück, denn die wenigsten Konditoren außerhalb von Sizilien verstehen es, ausdrucksvollen Geschmack in solch vollendeter Leichtigkeit zu produzieren.
Eis, das man danach nirgendwo anders geniessen möchte
Hervorragendes Eis wird in Sizilien aus den perfekten Grundprodukten hergestellt und wenn man einmal den Geschmack von Pistazieneis genossen hat, das mit Pistazien aus dem Val di Noto hergestellt wurde, geht man an allen künstlich grünen Pistazieneisangeboten, die voll mit Farbstoffen und Geschmacksverstärkern sind, nur noch kopfschüttelnd und wehmütig an Palermo denkend, vorbei.
Um genügend Appetit für das Dinner zu behalten, gibt es nur ein Mittel: Endlos durch die Straßen Palermos streifen, die Plätze und Straßen zu genießen, in Antiquitätengeschäfte und interessanten Start-Up Shops mit schönen Druckprodukten oder Schmuck zu stöbern, italienische Mode in den noch vorhandenen alteingesessenen Fachgeschäften auszuwählen und und am Hafen an den Yachten entlang schlendernd den Wind vom Meer zu genießen.
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Bevor es Abend wird, sollte man auf den Flaniermeilen und Plätzen noch nach einem Schuhputzer Ausschau halten. Die Tradition des Schuhputzens war in Palermo lange Zeit nahezu verschwunden, bis die örtliche Handelskammer im Rahmen einer Initiative 15 Schuhputzlizenzen und die Ausbildung zum Schuhputzer bei einem Profi ausschrieb. Sie erhielt über Hunderte von Bewerbungen in einer Stadt, in der die durchschnittliche Arbeitslosenquote bei über 20 Prozent liegt und viele Familien an der Armutsgrenze leben.
Viele hoch qualifizierte Arbeitskräften, die in ihrer Heimatstadt Palermo keinen Arbeitsplatz finden konnten, sahen in dem traditionellen Handwerk eine Chance, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Überwinden Sie daher Ihre mögliche Scheu, sich auf einem der „Schutzputztrohne“ zu positionieren und genießen Sie es, zum Dinner mit perfekt geputzten, glanzvollen Schuhen zu erscheinen.