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ROSÉWEIN

ROSÉWEIN

KAUM EIN WEIN POLARISIERT SO STARK 

#ROSÉALLDAY oder Nein, Danke?

Der Absatz von Roséweine steigt seit Jahren kontinuierlich steil nach oben und beträgt mittlerweile 10,3 Prozent des weltweiten Absatzes. Einige Weinliebhaber lehnen das Glas Rosé, das ihnen offeriert wird, jedoch stinkt ab und wollen mit dieser „Brause“ nichts zu tun haben. Wir empfehlen, der Provence im Glas eine Chance zu geben.

 

Günstiger kommt man nicht an die Côte d’Azur

Der Anblick eines Glas Roséwein, lässt bei Liebhabern der französischen Provence sofort ein Bild im Kopf entstehen: Ein strahlend blauer Himmel, der Wind vom Meer, der Duft von Lavendel und Kräutern, die Kiefernwälder und das joie de vivre eines unbeschwerten Sommers.

Die europäischen Länder, die überdurchschnittlich viel Roséwein trinken, wie Belgien, Deutschland, die Schweiz und das United Kingdom sind mit dieser attraktiven Landschaft im Süden Frankreichs vertraut. 

Frankreich ist weltweit der größte Produzent von Roséweinen und das Zentrum der Roséweinproduktion liegt im Süden Frankreichs.

Es verwundert nicht, dass in der Zeit der Corona-Pandemie, laut Deutschem Weininstitut, der Weinabsatz im deutschen Markt von April bis Juni 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 12,5 Prozent gestiegen ist und dabei Roséwein mit einem Zuwachs von 30 Prozent besonders stark nachgefragt war.

Wenn alle Reisepläne nach Frankreich gestrichen sind, ist der Wunsch, sich französischen Lebensstil ins heimische Glas zu holen, nachvollziehbar.

#Roséallday

Roséwein gilt als der Wein der Millennials. Ein Glas Rosé sieht auf Instagram immer gut aus. Die Motive der meisten Roséwein-Kampagnen kommen mit zwei nahezu identischen Bildern aus: Ein traumhafter Pool oder ein Blick auf das Meer mit zwei Gläsern eisgekühlten Roséweins davor. 

Früher galt  Roséwein als der Wein, den Damen trinken, die von Wein keine Ahnung haben. Die Generation der Millennials sieht Roséwein als den Wein, der einfach Spaß macht und ein Statement gegen Weinsnobs und komplizierte kiloschwere Weinkarten setzt. 

Roséwein wird überdurchschnittlich viel in der Altersgruppe von 24-35 Jahren getrunken, danach geht die Kurve mit steigendem Alter in den meisten Ländern steil nach unten. Eine Ausnahme bildet Frankreich, das Land mit der größten Roséweintradition. Hier trinkt man auch im Alter gerne Rosé.

Pink ist keine Farbe sondern eine Haltung

In Brasilien trinken mehr Männer als Frauen Roséwein, in den USA, Russland und Australien gibt es im Roséweinkonsum zwischen Männern und Frauen keinen Unterschied. Die Niederlande und Deutschland weisen innerhalb Europas noch den größten geschlechtsspezifischen Unterschied auf. In beiden Ländern wird Roséwein tendenziell von Frauen bevorzugt.

Vermutlich gehört diese Statistik der internationalen Organisation für Weinbau und Wein bald der Vergangenheit an. Die US Liste von Facebook zeigt 50 unterschiedliche Optionen für die Angabe des Geschlechtes an, von Agender, Androgyne bis zu Transmasculine und Two-spirit.

Erstmals in der Geschichte wählte Pantone 2016 zwei Farbtöne zur „Farbe“ des Jahres: Rose Quartz und Serenity, ein helles Blau. Die Pussy Hat Bewegung demonstrierte 2017 mit pinkfarbenen Wollmützen gegen sexistische Äußerungen von Präsident Donald Trump.

Pink hat einen neuen Status in Mode, Kunst und Kultur erhalten. The Grand Budapest Hotel prangt auf dem Plakat des Kultfilms von Wes Anderson in sattem Pink.

Der Hashtag #Roséallday ist Ausdruck für einen phantastischen Sommertag, steht gleichermaßen für Tage, an denen nichts gelingt und die nur mit Rosé zu ertragen scheinen,  wird bisweilen mit einer gewissen Abschätzigkeit aber auch Selbstironie verwendet.

Nichts muss, alles kann. Pink, in klassischen Gemälden die Farbe für Jugend, steht heute für einen jungen Geist und ist nicht mehr geschlechtsspezifisch definiert.

Wie kommt der Roséwein zu seiner Farbe?

Die Farben des Roséweins reichen von einem sehr zarten, blassen Rosé, der vom Weißwein kaum mehr zu unterscheiden ist bis zu einem dunklen, eher an Orange erinnernden Farbton. Je heller der Roséton, desto größer die Absatzchancen im Handel.

Die Farbgebung steht in Zusammenhang mit der Herstellungsweise des Roséweins und den dazu verwendeten Trauben. Es gibt vier grundsätzliche Methoden, Roséwein herzustellen, die von Land zu Land, von Region zu Region und von Weingut zu Weingut unterschiedlich sind und in Expertenkreisen gerne diskutiert werden.

Die einfachste Methode

Die scheinbar einfachste Methode ist die Mischung von Weißwein und Rotwein. Laut europäischem Weingesetz innerhalb von Europa verboten. Mit einer Ausnahme: Ausschließlich für die Herstellung von Roséchampagner, der regional für die französische Region der Champagne geschützt ist, darf diese Methode verwendet werden.

Die blutigste Methode

Saignée oder übersetzt bluten, bezeichnet man eine Herstellungsmethode für Roséwein, bei dem ein Teil des eingemaischten Traubensaftes, der für die Herstellung von Rotwein geplant ist, nach einigen Stunden für den Roséwein aus dem Tank entnommen wird, während der Rest des Traubensaftes sich über längere Zeit und weitere Produktionsschritte zu einem konzentrierten klassischen Rotwein entwickeln kann. 

Bis heute wird von Experten François Millo, der damalige Präsident des Weinbaus der Provence zitiert, der die Saignée Methode auf der International Wine Fair in London 2012 verurteilt hat, mit der Ansicht, dass ein so produzierter Rosé kein wahrer Roséwein sei.

Rotweinproduzenten, die mit der Saignée-Methode arbeiten, wären nur am schnellen Nebenverdienst interessiert, indem sie ein paar Flaschen mit Roséwein füllten, während ihre wahre Leidenschaft dem konzentrierten Rotwein gelte. 

Roséwein, der mit dieser Methode produziert wird, hat oft eine ausgeprägte Aromatik und muss keineswegs der schlechtere Roséwein sein. Monsieur Millo sah verständlicherweise das Know-How der von ihm vertretenen Winzer in der Provence, die sich seit vielen Jahren auf die Produktion von Roséweinen konzentrieren, nicht gewürdigt.

Und er hatte einen Punkt: Viele Weintrinken nehmen Roséwein bis heute nicht ernst, obwohl sich die Qualität von Roséwein in den letzte 25 Jahren stark verbessert hat

Die zeitkritische Methode

Rotweintrauben werden bei dieser Methode zwischen 10-20 Tagen früher geerntet, als es bei der Herstellung von Rotwein der Fall wäre. Das Ziel ist eine Balance zwischen Frische und Aromatik. Wartet man einige Tage zu lang, kann dem Rosé die Frische fehlen, fängt man zu früh mit der Ernte hat, kommt möglicherweise die Aromatik zu kurz. 

Auch die Außentemperatur zum Zeitpunkt der Ernte spielt eine Rolle für die Frische des Rosé, so dass in wärmeren Regionen, wie der Provence, zum Teil in der Nacht geerntet wird, um die Trauben in kühleren Temperaturen zur Weiterverarbeitung zu transportieren. Die Trauben werden anschließend (meistens) von Stielen befreit und leicht angequetscht, damit die Farb- und Aromastoffe, die sich in den Schalen befinden, in den Saft gelangen.

Aus dem Fruchtfleisch, den Kernen, Schalen und dem Saft der Trauben entsteht die sogenannte Maische. Je länger die Maische in diesem Zustand verbleibt, desto intensiver wird die spätere Farbe und Aromatik des Weines. Für Roséwein langen wenige Stunden.

Der Weinkellermeister beobachtet den Prozess und testet kontinuierlich immer wieder den Maischezustand, um den unkontrollierten Gärzustand mit Hilfe von Hefen dann abzubrechen, wenn er glaubt, die optimale Balance zwischen Farbe, Frische und Aromatik gefunden zu haben.

Roséwein kann aus dem Maischesaft entstehen, bei denen allein das Gewicht der Trauben zur Quetschung ausreichen, aber auch eine schnelle Pressung der Trauben ist möglich.

Die Kohle-Methode

Seltener wird die Methode verwendet, einem Wein, der schon eine dunkelrote Farbe auf dem Weg zum Rotwein, angenommen hat, mittels Aktivkohle, die roten Farbbestandteile wieder zu entziehen und aus einer roten Farbe ein Rosé entstehen zu lassen. Da die Aktivkohle neben der Farbe auch weitere Bestandteile ausfiltert, die für den Geschmack entscheidend sind, wird diese Methode nicht für Qualitäts-Roséweine angewendet

Siehe auch

Der Königsweg?

Gibt es nicht. Während die Mischung von Weiß- und Rotweinen laut europäischen Weingesetz mit der Ausnahme der Champagner-Herstellung verboten ist, arbeiten renommierte amerikanische Winzer bisweilen mit einer Kombination von Methoden: Rotweintrauben werden sehr schnell verarbeitet, so dass die Schalen kaum Farbstoffe an den späteren Wein abgeben können. Dieser sehr hellen Roséwein wird dann mit einem klassischen Rotwein vermischt, um auf diese Weise Aromatik und eine dunkelrötlichere Farbe zu erhalten.

Weltweit existieren die unterschiedlichsten Kombinationen der oben genannten Methoden und jeder Winzer schwört auf seine Methode. Der Kontakt der Trauben mit der Schale kann 1-2 Stunden, aber auch 24 Stunden dauern.

Bei professionellen Weinverkostungen wird über die spezifische Herstellungsmethode gesprochen. Der Endkonsument findet nur selten einen Hinweis auf die Produktionsmethode des jeweiligen Roséweins. Ein Hinweis auf dem Rückenetikett der Flasche oder bei der Beschreibung des Weines im Online-Shop ist rar.

Das Rosé-Dilemma

Es gibt kaum ein Thema, das im Weinbau so emotional diskutiert wird. Rotweinwinzer, die einen Teil des Traubensaftes für die Herstellung von Roséwein mit der Saignée-Methode ableiten wird vorgeworfen, dass sie nur am leicht verdienten Geld, nicht aber am Roséwein an sich interessiert seien.

Chateau Cash Flow lautet der Vorwurf, den diese Winzer erbost zurückweisen und auf die hervorragende Aromatik ihrer Roséweine verweisen.

Zudem sind auf diese Weise produzierte Roséweine oft länger haltbar und müssen nicht am Ende des Sommers mit Rabatten abverkauft werden. Da diese Roséweine oft eine dunklere Farbe ausweisen, haben sie es im Verkaufsregal schwerer gegen die beliebten sehr hellen Roséweine, die an warmen Sommertagen förmlich aus dem Regal fliegen.

Es gibt Winzer, die gut verkäufliche blassrosa farbene Roséweine produzieren, um ihre Rechnungen bezahlen zu können und wahre dunkelroséfarbene Schätzchen nur bei Profiveranstaltungen oder im sogenannten Hinterzimmer anbieten. Und natürlich ist Roséwein mittlerweile auch in der Metalldose im Kühlregal gleich neben den Bierdosen zu finden. Alles geht und macht es gleichzeitig dem Roséwein schwer.

Roséwein verkauft sich mit dem Image der Leichtigkeit —die ernsthaften Roséweinproduzenten argumentieren, dass qualitativ hochwertige Leichtigkeit am schwierigsten zu produzieren sei.

Roséwein und Hollywood

Die USA ist, nach Frankreich, der größte Markt für den Absatz und die Produktion von Roséweinen. Der Absatz von Roséwein wächst dort mit jährlichen Zuwachsraten von 40 Prozent stärker als alle anderen Weinkategorien. Roséweine nehmen dort bei manchen Weinhändlern einige Meter Regalplatz in Anspruch.

Brad Pitt und Angelina Jolie sind mit ihrem Chãtau Miraval sehr früh in diesen Geschäftsbereich eingestiegen. Bon Jovi besitzt ein Weingut, das im Languedoc Roséwein produziert und Sarah Jessica Parker vermarktet mit einem neuseeländischen Weinunternehmen Roséwein aus der Provence.

Der chinesische Roséwein steht erst am Beginn einer möglichen weiteren Erfolgsgeschichte.

Genuss mit Geschichte

Qualitativ hochwertiger Roséwein hat eine lange europäische Tradition, allerdings als Nischenwein. Tavel, ein kräftiger Roséwein aus dem südlichen Rhonetal beispielsweise ist keineswegs nur ein leichter Sommerwein, sondern lässt sich über einige Jahre lagern und wird traditionell zu ausdrucksvollen fetten Würsten oder scharf gewürzten Gerichten serviert.

Roséwein kategorisch abzulehnen, wäre schade. Zwischen Roséwein aus der Dose und einem traditionellen Tavel liegen Welten mit vielen sehr interessanten Roséweinen, die es zu entdecken gibt.

Ein guter Roséwein ist keineswegs nur ein Sommerwein, sondern kann mit herzhaften Gerichten sehr gut kombiniert werden. Er balanciert das Gericht, ist aber in der Regel leichter als ein Rotwein. Zur köstlichen Bouillabaisse und ihren Begleitern Baguette und der mayonaiseähnlichen Rouille passt ein ausdrucksstarker Rosé hervorragend. Gerade weil er weder Weißwein noch Rotwein ist.

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