Langsam wächst der Wunsch nach regionalen Blumen
Regionale Blumen sind in vielen Ländern noch ein zartes Pflänzchen. Ein Trend, der viel Sinn und Freude macht.
Die natürliche Reaktion
Überreichen Sie einen Strauß Blumen und beobachten Sie, was im nächsten Moment passiert. In der Mehrzahl wandert der Kopf in Richtung Strauß und die beschenkte Person versucht, den Duft der Blumen zu genießen.
Es gibt jedoch bei den meisten Blumen keinen Duft zu erhaschen. Sie sind fast immer in Substraten gewachsen, mit Pestiziden besprüht, für eine lange Flugreise desinfiziert und haltbar gemacht worden, mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einer Auktion in den Niederlanden verkauft und anschließend zu einem Großmarkt oder zu einem Floristen transportiert worden, wo sie noch eine Weile auf ihre Käufer warten mussten.
Der Duft der meisten Schnittblumensträuße, die wir in Händen halten, ist daher im besten Fall neutral, im ungünstigen Fall der Duft von Chemie. Macht nichts, möchte man meinen, den wir sind so konditioniert, dass wir meinen, den erwünschten Blumenduft zu riechen, uns artig für die schönen Blumen bedanken und den Chemie-Cocktail in der Regel erst beim Entsorgen der Blumen wahrnehmen.
Die Sehnsucht nach dem Duft
Es war die Sehnsucht nach dem natürlichen Duft von Blumen, die zunächst einige wenige Floristen inspiriert hat, auf regionale Blumen umzusteigen. Denn nur regionale Blumen, die in natürlich kompostierter Erde gewachsen und in kürzester Zeit nach dem Schnitt in die Vase oder die Hand der Braut gelangen, haben die Chance, ihren natürlichen Duft zur Geltung zu bringen.
Meist sind die Stiele dieser Blumen eher zart und gebogen im Vergleich zu Blumen mit starken, gradlinigen Stilen, die gezüchtet wurden, um lange Transportwege unbeschadet zu überstehen.
Hochzeitssträuße sind für die noch kleine Anzahl lokaler Blumengärtner und Floristen ein nicht unbedeutender Markt. Für Hochzeiten sind viele bereit, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, denn regionale Blumen sind nicht unbedingt günstiger als die über lange Zeit haltbaren Blumen, die Teil eines riesigen Marktes sind, der sich im Absatz von der Tankstelle über den Supermarkt bis zum Top-Floristen erstreckt.
Donnerstag ist Blumentag
Eine regionale Blume, die am Samstag Teil eines Hochzeitsstraußes werden soll, darf frühestens am Donnerstag geschnitten werden und zwar von jemandem der Erfahrung hat und genau weiß, in welchem Stadium er oder sie die Blume schneiden sollte, damit sie am großen Tag ihren ebenso großen Auftritt hat und dabei perfekt duftet.
Die eher weichen Stengel dieser Blumen sind zudem weitaus schwieriger zu arrangieren.
Dennoch, der Wunsch vieler, ein natürliches Blumenbouquet genießen zu können, das so aussieht, als hätte jemand in romantischer Caspar David Friedrich Manier im Garten die Blumen gepflückt, wird beständig größer und der noch winzige Nischenmarkt regionaler Blumen wächst.
Als wir vor etwa fünf Jahren über dieses Thema berichtet hatten, gab es in den USA und in England bereits einige Vorboten des Trends Slow Flower. Hierzulande interessierte sich noch kaum jemand für regionale Blumen.
Heute findet man auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz in nahezu allen größeren Städten Floristen und am Stadtrand Blumenbauern, die auf regionale Blumen und natürliche Kompostierung setzen.
Es ist ein schwieriges Geschäft, denn regionale Blüten gibt es in unseren Breitengraden im günstigsten Fall von März bis Anfang November. Im Rest des Jahres sind überwiegend Beeren, Blätter und Gräser angesagt.
Zarte Schönheiten
Blickt man nach England und betrachtet die zarten Blüten, die selbst im harschen Klima Schottlands wachsen und die wunderschönen Kreationen, die aus ihnen entstehen, wirken viele konventionellen Sträuße, oft angefüllt mit wachsartigem Grünzeug, wie Bulldozer im Vergleich zu einem schlanken Cabrio.
Ein zierlicher kleiner Blumengruß, der anstelle von tropischen Blättern mit Kräutern etwas Volumen und noch mehr Duft erhält, hat seine Berechtigung und findet immer mehr Anhänger.
From Farm to Table
Das Motto der lokalen Küche ist für jeden, der einen Garten besitzt, in dem er selbst Blumen anpflanzt, machbar.
Falls Sie bislang betrübt hat, dass die Rosen aus dem eigenen Garten dort selbst prächtig ausgesehen, aber in der Vase meist nur eine relativ kurze Lebensspanne hatten, ein Tipp von einem regionalen Rosenanbauer aus England: Die Rosen vor Sonnenaufgang schneiden, erst mal in einen Eimer mit kaltem Wasser im Dunklen zwei, drei Stunden stehen lassen und dann in der Vase arrangieren.
Für alle, die am Wochenende nicht so früh aufstehen möchten, lohnt es sich, genauer hinzusehen und über Zeit Erfahrung zu sammeln, in welcher Blühphase die Rosen am besten geschnitten werden sollten.
Ein US Trend
Interessanterweise stammt der Begriff Slow Flower und die Bewegung, die dahinter steht, aus den USA. Amy Stewart, mit ihrer Publikation “Flower Confidential: The Good, the Bad, and the Beautiful” einem Buch, das sich mit dem Geschäft mit Schnittblumen in den USA auseinandersetzt, wird oft als Startpunkt genannt für eine Bewegung, die plötzlich zu hinterfragen begann, warum immer mehr Blumenbauern in den USA aufgeben mussten, weil sie gegen die Konkurrenz von Blumen aus Ecuador, Kenya, Peru und Indien keine Chancen hatten.
Auch in England hat Slow Flower schon relativ viele Anhänger und die Vereinigung der Slow Flower Anbauer und Floristen hat eine sehr inspirierende Homepage aufzuweisen, auf der es viel Wissenswertes und Schönes zu sehen gibt.
Die Slow Flower Bewegung Deutschland hat hier noch Nachholbedarf. Ihre Homepage verzeichnet zwar einige Adressen in Deutschland, sagt aber von sich selbst, dass dieses Verzeichnis bei weitem nicht vollständig ist. Unsere eigenen Recherchen haben ergeben, dass das Angebot auch schon an vielen anderen Stellen blüht.
Einfach mal umhören in der eigenen Umgebung.
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