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NOCH EINEN SOMMER LANG GENIESSEN

NOCH EINEN SOMMER LANG GENIESSEN

Sommer 2022

Der Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen führen uns jeden Tag vor Augen, dass dieser Sommer ein Übergang sein wird. Es wird nichts bleiben, wie es war. Vielleicht schätzen wir diesen Sommer daher mehr noch als sonst

Europa im Sommerfieber

Auf Flughäfen und Bahnstationen gibt es so manche Enttäuschungen und Erschöpfungen. Die Feuerwehren sind im Süden extrem gefordert. Und dennoch ist der Aufschrei vieler, die sich nach der Pandemie wieder einen Urlaub gönnen möchten, vergleichsweise milde.

Eher herrscht Resignation über eine Infrastruktur, die man besser eingeschätzt hatte und die Einsicht, dass angesichts höherer Temperaturen anders geplant und gelebt werden muss.

Beides verblasst vor den Folgen des Krieges gegen die Ukraine. Sie machen uns die Insellage Europas bewusst.

Auch im Haus Europa ist vieles verbesserungsfähig aber die Erfahrungen der beiden Weltkriege, Freiheit, Unternehmergeist und Tradition haben vieles in Europa geschaffen, das einigen anderen Ländern erstrebenswert und Diktatoren bekämpfenswert erscheint. Je nach Standpunkt.

Kriege und Krisen gab und gibt es in großer Anzahl rund um den Erdball. Der Krieg gegen die Ukraine ist uns aus vielen Gründen besonders nah und wir spüren, dass sich vieles grundlegend verändert. Dieser Sommer ist daher ein außergewöhnlicher Sommer.

Beim Anblick jedes Weizenfeldes denken wir an Odessa. Wir schätzen das, was Europa bietet, in dem Bewusstsein, dass nichts selbstverständlich ist — auch die Qualität vieler Lebens- und Genussmittel.

Ein ungewöhnliches Frühstück

Das Frühstück im kleinen Hotel Bij Jef, das zum gleichnamigen Restaurant auf der niederländischen Insel Texel gehört, ist außergewöhnlich: Es werden fünf frisch zubereitete Gänge serviert.

Alle begleitet mit frisch gepressten Säften und Smoothies aus dem Obst- und Gemüsegarten in Sichtweite des Hotels.

Den Auftakt macht ein süßer Gang, beispielsweise ein kleiner mit Äpfeln gefüllter Pfannkuchen unter einer dicken Zimt-Zucker-Schicht oder Miniatur-Pfannkuchen mit selbstgerührter schwarzer Johannisbeer-Marmelade. Dazu wird ein Glas Moscato d’Asti serviert.

Beim ersten Mal waren wir versucht, das Glas Moscato abzulehnen, denn Alkohol am frühen Morgen gehört nicht zu unserer Routine. Aber es ist Sommer, Ferien und wir schreiben das Jahr 2022, also ja, doch, Danke.

Der Moscato d’Asti passte hervorragend als Auftakt zum ersten süßen Gang und lässt sich mit dem relativ geringen Alkoholgehalt von 5 Prozent gut verkraften, wenn darauf noch weitere vier Gänge und ein langer Spaziergang am Strand folgen.

Moscato d’Asti, bitte nicht verwechseln

Der frische perlende Wein wird aus der Muskateller-Traube hergestellt, die als eine der ältesten Rebsorten gilt, die in Europa angebaut wird. Sie stammt aus Kleinasien.

Moscato d’Asti darf nur sortenrein aus der Moscato bianco Trauben hergestellt werden, die aus definierten Lagen des Piemonts stammen, um das italienische Qualitätssiegel DOCG zu erhalten.

Der leicht moussierende Wein hat Anklänge an Pfirsiche, Zitrone, Aprikose und Salbei und wird gut gekühlt in einem hohen Kelchglas serviert. Als Frizzante oder Perlwein trägt die Flasche einen normalen Korken oder Schraubverschluss.

Keineswegs verwechseln sollte man Moscato d’Asti mit Asti Spumante. Die Namen klingen sehr ähnlich, aber die klare, traditionelle qualitätsbewusste Linie des Moscato d’Asti hat mit der, von wenigen Ausnahmen abgesehen, oft zuckersüßen Industriebrause, in der viele Traubensorten landen, nichts gemein.

Das eingangs erwähnte Relais & Châteaux Hotel Bij Jef in den Niederlanden präferiert Moscato d’Asti Bricco Riella, ein Moscato d’Asti des Weingutes Cascina Pian d’Or, das bereits unzählige Preise in Asien und den USA gewonnen hat und dennoch vergleichsweise erschwinglich ist.

Lunch in the City

Nahezu jedes Unternehmen sucht im Moment nach der optimalen Kombination von Homeoffice und physischer Anwesenheit im Büro. Unser liebstes Sommerlunch im Homeoffice ist in wenigen Minuten fertig: Burrata auf alten Tomatensorten.

Beide Zutaten sind so perfekt, dass nur ein Schuss guten Olivenöls, Maldon Salz und frischer Pfeffer sowie ein gutes Weißbrot dazu ausreichen.

Auch wenn wir bisweilen über europäische Verordnungen stöhnen, es gibt eben auch eine Verordnung über den Burrata di Andria, um dem Büffelmozzarella mit dem sahnigen Kern, der im apulischen Andria eine besonders lange Tradition hat, ein gewisses Schutzrecht zu verleihen.

Das perfekte Sommer Dinner verlangt nach einem schnellen Dessert

Moscato d’Asti und weiße Pfirsiche ergeben ein leichtes Sommer-Dessert, das lediglich etwas Zeit für die logistische Vorplanung benötigt.

Weiße Pfirsiche vierteln und in diesem Fall in einem breitem Glas platzieren, mit kühlen Moscato d’Asti auffüllen und eine kleine Gabel dazu reichen. 

Unsere Freunde aus Italien nutzen die Gabelspitzen dazu, in die Pfirsichteilen zu picken und den Pfirsichen ein wenig von ihrem Saft zu entlocken, essen anschließend die Pfirsichteile und trinken im Anschluss den Moscato.

Zugegeben, ist es nicht ganz leicht, wirklich aromatische Pfirsiche zu erhalten. Aber wenn Ihr Obst- und Gemüsehändler perfekte Exemplare anbieten kann, die oft aus Frankreich kommen, stellen sie den perfekten Sommergenuss dar.

Europäischer Genuss

Französische Pfirsiche, Perlwein und Burratta aus Italien — wir sind uns in diesen Tagen der drohenden Energiekrisen, des Leids in der Ukraine und in der Folge der vielen weiteren Ernährungs- und Regierungskrisen angesichts erhöhter Preise für Energie und Grundnahrungsmittel  bewusst, dass mit diesem Sommer auch eine Zeit des unbeschwerten Genusses vorübergeht.

Damit wollen wir durchaus keine Schwarzmalerei betreiben. Im Gegenteil, wir glauben, dass es wichtig und notwendig ist, die Werte Europas zu verteidigen und dafür auch weitgehende Abstriche in Kauf zu nehmen.

Siehe auch

Jeden Sonnenstrahl, jede Sommerlandschaft, jeden Löffel und jede Gabel Genuss nehmen wir in diesem Sommer bewusster wahr, als in jedem Sommer zuvor. 

Es kann sich auch zum Besseren wenden: Vernachlässigte Infrastruktur in vielen Bereichen, zu gering geschätzte Dienstleistung und für selbstverständlich gehaltene Freiheit und fehlendes strategisches geopolitisches Denken in Europa kann sich auch zum Besseren entwickeln.

Fotografie © GloriousMe | Traubenernte Moscato d’Asti in Italien, Piemont © Alamy Stock Foto

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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