Je älter, desto mehr Charme strahlen Ledertaschen aus
Das gilt jedoch nur für Aktentaschen, Weekender, Laptopcases und sonstige Ledertaschen, die gut gepflegt und richtig aufbewahrt wurden. Schöne Lederaccessoires zu pflegen und wenn nötig zu reparieren, macht Sinn. HRH, Prince Charles, wird genau dafür von der VOGUE gerade als Trendsetter gefeiert, auch wenn er selbst dachte, niemand würde ihn je als hip bezeichnen.
Der erste Eindruck
Der neue Kollege wurde mit einem Bürorundgang vorgestellt. Natürlich trug er ein gewinnendes Lächeln auf den Lippen, wirkte offen, freundlich und schien laut makellosem Lebenslauf vielversprechend kompetent zu sein. So, wie wir es schon viele Male erlebt hatten.
Aber ein Detail stach bei ihm sofort ins Auge: Die Ledertasche, die er bei sich trug. Groß genug, um darin einen kleinen Laptop und ein paar Papiere unterzubringen.
Erkennbar hatte sie schon einiges gesehen. Das Leder zeigte Spuren der Nutzung, sah aber gepflegt aus. Die Tasche hatte Stil und Charakter, möglicherweise war sie ein Erbstück oder als Vintage-Stück erworben worden.
Mit einem Blick auf die Tasche war innerhalb von Bruchteilen von Sekunden alles gesagt und jeder neugierig darauf, demnächst mit dem neuen Kollegen zusammenzuarbeiten, der offensichtlich etwas von Stil verstand und Werte zu schätzen wusste.
Die fünf wichtigsten Tipps, wie Ledertaschen in Top-Form bleiben
1. Im Einsatz
Patina ist bei einer schönen Ledertasche ein Bonus. Starke, langandauernde Sonneneinstrahlung lassen Ihr schönes Lederstück (genau wie Ihre Haut) vorzeitig altern. Heftiger Regen und Schmutz, falls die Tasche doch mal am Boden gelandet ist, sollte besser nicht allzu häufig vorkommen.
Möglichst nicht überladen – das hält auch die beste Tasche nicht lange aus. Häufig, wenn nicht täglich, gesamt ausräumen und den Inhalt reduzieren auf das, was wirklich dabei sein muss und nicht alles das, bei dem man ein gutes Gefühl hat, es dabei zu haben.
Füllfederhalter immer in einem separaten Etui aufbewahren, denn Tintenflecken gehören zu den Flecken, die sich am schwierigsten entfernen lassen.
2. Am Abend
Am Abend den Schmutz, der sich fast unmerklich im Laufe des Tages auf der Ledertasche angesammelt hat, mit einer sanften Bürste und einem weichen Tuch entfernen.
Leichte, oberflächliche Kratzer lassen sich auf den meisten Lederarten mit einem weichen Baumwolltuch oder einem Micro-Faser-Tuch auspolieren. Sind die Kratzer so tief, dass die gesamte Farboberfläche des Leders zerstört ist, sollte ein Spezialist ran, der die entsprechenden Farben und Kenntnisse hat.
Kleine Schmutzflecken lassen sich bei den gängigsten Lederfarben meist vorsichtig mit einem sauberen, rötlichen Radiergummi entfernen. Auf keinen Fall essighaltige Reiniger oder sonstige scharfen Reinigungsmittel verwenden. Taschenexperten empfehlen, es ganz vorsichtig mit klarem Franzbrantwein zu versuchen. Hier ist jedoch ein Test an einer Stelle angesagt, an der ein eventuell misslungenes Experiment nicht sichtbar ist. Zu unterschiedlich sind die Behandlung von Lederprodukten im Laufe der Fertigung.
3. Einmal pro Woche
Einmal pro Woche sollten Sie der Tasche ein Pflege mit einem speziellen nichtfettenden Lederaufbearbeitungsmittel gönnen. Diese Mittel sind farbneutral und nicht stark fettend. Bisweilen hat man Glück und kann gleich beim Kauf der Ledertasche ein geeignetes Produkt erwerben.
Von Zeit zu Zeit freut sich das Leder auch über eine Behandlung mit dem meist aus Brasilien importierten Carnauba Wachs. Das Leder blüht nach einer Behandlung mit diesem natürlichen Wachs förmlich auf und zeigt sich im täglichen Einsatz gegen Feuchtigkeit und Schmutz etwas widerstandsfähiger. Mit einem Döschen farblosem Carnauba Wachs sind Sie für die meisten Lederarten bestens ausgestattet, mit der Ausnahme von Lackleder, das ein spezielles Lackreinigungsmittel benötigt, um den Lackglanz zu bewahren.
Vor dem Wachsen die Ledertasche nochmals gut reinigen, das Wachs mit einem Baumwolllappen auftragen und der Struktur des Leders folgend einmassieren. Lieber zuwenig als zuviel. Danach das Wachs mindestens zehn Minuten oder über Nacht einwirken lassen und anschließend das überschüssige Wachs fein abbürsten. Kenner greifen im Anschluss zu einer Kaschmir-Ziegenhaarbürste und polieren damit das Leder, um ihm zusätzlichen Glanz zu verleihen.
Farbiges Leder verliert mit der Zeit seine ursprüngliche Farbe und im Vergleich zu Schuhen, die mit entsprechend farbigen Schuhcremes behandelt werden können, ist die Farbbehandlung bei Taschen nicht zu empfehlen. Zu groß die Gefahr, damit die Kleidung auch gleich einzufärben.
Die sorgfältige Pflege des Leders verleiht dem Leder einen Charakter, der selbst bei schwächer werdender Grundfarbe hervorragend aussieht. Die meisten Lederfärbungen sind relativ langlebig. Denken Sie einfach daran, dass auch ein englischer Gentleman alter Schule neue Schuhe erst mal privat einträgt, bevor er sich mit den ersten Gebrauchsspuren an den Schuhen damit in der Öffentlichkeit zeigt.
4. Aufbewahrung
Beim Kauf ist die Tasche meist mit Papier ausgefüllt und mit einem Schutzbeutel versehen. Beides bitte unbedingt aufbewahren. Sobald Sie die Tasche wechseln oder von einem schönen Wochenendausflug wieder nach Hause zurückkehren, die Tasche gereinigt und geschmeidig poliert haben, sollten Sie die Tasche wieder mit dem Papier ausstopfen und im Schutzbeutel aufbewahren.
Ist das Papier oder der Schutzbeutel nicht mehr vorhanden, kann es durch neutrales Seidenpapier ersetzt werden. Bitte hierfür keine alten Zeitungen verwenden; die Druckerschwärze hinterlässt mit der Zeit ihre Spuren.
Ist der Schutzbeutel nicht mehr vorhanden, leistet ein altes weißes Kopfkissen ebenso hervorragende Dienste. Eine Plastikumhüllung, durch die die Tasche nicht atmen kann, ist keine gute Idee.
Ledertaschen mögen es nicht zu warm und sollten daher nicht unmittelbar neben einer Heizung aufbewahrt werden.
5. Früher hieß es Täschner, heute Taschenklinik oder Return to Sender
Wenn Sie noch einen Täschner kennen, schätzen Sie sich glücklich und lassen Sie uns die Adresse bitte zukommen. Die Spezialisten für Taschenherstellung und -reparatur sind heute leider kaum noch zu finden. Taschen aus Plastik und Wegwerfmentalität haben diesen Berufsstand fast vollständig verschwinden lassen. Diejenigen, die diesen Lehrberuf noch auszuüben wissen, arbeiten heute überwiegend bei den Herstellern von edlen Leder-Accessoires.
Täschner verstehen die Reparaturen von Reißverschlüssen und Schlössern, die fachgerechte Entfernung von Flecken, nähen aufgelöste Ziernähte nach, ersetzen das Innenfutter und sorgen mit ihren Fertigkeiten dafür, dass die Taschen ihren Charme behalten können. Der ein oder andere Schuster hat diese Arbeiten übernommen und in manchen Metropolen findet man eine sogenannte Taschenklinik, der man die guten Stücke anvertrauen kann.
Hochwertige Taschenproduzenten bieten in der Regel einen Reparaturservice an. Da auch hier Täschner rar sind, muss man für eine Reparatur oder generelle Aufarbeitung bisweilen Monate veranschlagen. Es lohnt sich bei guten Ledertaschen immer.
Die Alternative Rucksack
In den Bergen und auf dem Fahrrad auf jeden Fall nützlich. Und natürlich auch, wenn man wie Dominic Cummings, der ehemalige Chefberater in Downing Street Nr. 10, mit einem Karton, persönlichen Gegenstände vom Schreibtisch und einem Rucksack auf dem Rücken den Amtssitz von Premierminister Boris Johnson medienwirksam verlässt.
In diesem Moment hat jeder Mitleid mit dem Mann, der nach Medienberichten nie Mitleid mit allen anderen hatte.
Unsere Empfehlung lautet, die Zeit im Homeoffice und den diversen Lockdowns zu nutzen, um den Ledertaschen etwas Gutes zu tun. Im Gegensatz zu guten Weinen, die, in optimaler Umgebung lagernd, am besten in Ruhe gelassen werden, verzeihen es Ledertaschen nicht, über lange Zeit einfach ignoriert zu werden. Gute Ledertaschen müssen auch ab zu, so wie wir alle, frische Luft schnappen und gebraucht werden.
Die Zeit der Reisen wird wieder kommen und ein charmanter Weekender macht immer eine gute Figur. Und wenn persönliche Meetings seltener werden, zählt jeder Eindruck und der nächste erste Eindruck umso mehr. Sie möchten doch nicht, dass HRH The Prince of Wales als Trendsetter an Ihnen vorbeizieht?
Hier können Sie übrigens einen gutgelaunten Prince Charles im Interview mit dem Chefredakteur der englischen VOGUE in einem engagierten Interview zum Thema nachhaltiger Mode und seiner Abneigung, Kleidungsstücke und Accessoires wegzuwerfen, die noch repariert werden können, erleben. (HRH The Prince of Walks Talks Sustainable Fashion & His Timelss Style). Sein Motto: „Buy once, buy well“.
Naturally, ist das Interview auch ein charmantes Beispiel für schönstes British English und die perfekte Kombination von Krawatte und Einstecktuch in kontrastierenden Stilen. Mehr dazu gerne in unserem Artikel zum Pocket Square. Man könnte fast meinen, HRH, Prince Charles hätte ihn gelesen.
Fotografien © GloriousMe | Lederpflegeprodukte gesehen bei Diehl&Diehl „Schuhwerk und Garderobe“ in Frankfurt am Main