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REISEFIEBER FÜR DIE ZEIT NACH COVID-19

REISEFIEBER FÜR DIE ZEIT NACH COVID-19

GloriousMe-Reisefieber-Sri-Lanka

Länger, langsamer, genussvoller statt höher, schneller, weiter 

 

Nichts fehlt so sehr wie das Reisen, denn Urlaub kann man auch Zuhause machen. Das Reisefieber steigt.

BY THE EDITOR

Auch wenn ich meine E-Mail-Nachrichten der Fluggesellschaften aktuell sofort ungelesen in den elektronischen Papierkorb befördere  — ich kann den Moment nicht abwarten, wieder in ein Flugzeug zu steigen.

Noch nichts von Flugscham oder drohender Umweltkatastrophe gehört, mag der ein oder andere fragen?

Schon lange vor der Popularität dieser Themen, wäre es mir nicht in den Sinn gekommen, das Flugzeug auf Kurzstrecken zu nutzen. Ein Schnellzug ist in der Regel die komfortablere Option.

Zeitlich gibt es von Innenstadt zu Innenstadt zwar meist eine etwas längere Fahrzeit, doch die Zeit im Zug, lässt sich in der Regel wesentlich besser nutzen.

Der Horizont bestimmt den Kreis

Ich hoffe auf eine möglichst rasche Herdenimmunität und hohe Impfquoten in allen Ländern der Erde, die es wieder möglich machen, andere Kontinente zu besuchen. Mit dem Flugzeug.

Die Ziele Grand Tour, die zunächst vornehmlich der englische Adel unternahm, mit dem Ziel andere Länder, deren Architektur, Fechtfertigkeiten, Kunst und Landschaften kennenzulernen und so den eigenen Horizont zu erweitern, haben trotz Brexit nicht an Attraktivität verloren.

Ein wichtiger Stop auf der Reise des Adels durch Europa war damals die Heimatstadt von Erasmus von Rotterdam.

Als Folge des Brexit hat die englische Regierung auch ihre Mitgliedschaft im Erasmus-Programm (European Community Action Scheme for the Mobility of University Students) gekündigt. Bad luck für die Mehrheit der aktuellen britischen Studenten.

Eine italienische Filmnacht zuhause ist schön, aber der beste Film kann die Nachdrücklichkeit des eigenen Eindrucks nicht ersetzen.

Die größten Befürworter von Abschottung und den vermeintlichen Vorzügen des eigenen Landes haben entweder bereits selbst so viel erlebt, dass sie dessen müde geworden sind oder hatten nie die Möglichkeit, die eigenen Grenzen zu verlassen.

Von Super 8 Filmen bis iPhone XII

Im aktuellen Reisestillstand wandere ich immer öfter in die Bildarchive vergangener Reisen. Ich bedaure keine einzige Reise, selbst die nicht, die völlig schief gegangen sind.

Die wertvollsten Erinnerungen füllen die Wunschliste an die zukünftigen Reisen:

Der kundige Guide in Sri Lanka, der über ein immenses historisches Wissen verfügte, jeden der oft bitterarmen Lotterielosverkäufer am Wegesrand etwas verdienen lies und uns auf alle interessanten Vögel rechts und links der Landstraße hinwies, die wir sonst nie entdeckt hätten. Der Abschied fiel schwer.

Der kriegsversehrte französische Veteran, der meinen deutschen Eltern kein Hotelzimmer vermieten wollte, aber bemerkte, dass es mir, dem Kind damals nicht gut ging, uns dann doch einquartierte und sofort heißen Tee mit Zitrone auf das Zimmer schicken ließ.

Der Besitzer des winzigen Teeladens in Tokyo, der mit Ausdauer und Stolz in japanischer Sprache über die Herkunft und Qualität seine Tees erzählte obwohl ich kein Wort davon verstand. Der Sprachklang reichte aus, den Stolz auf die Provenienz seiner Ware zu spüren.

Der junge Wanderbegleiter in Bhutan, der traurig erzählte, dass immer mehr Männer die traditionelle Kleidung des Gho gegen Blue Jeans eintauschen würden obwohl letztere doch zweifelsohne viel unbequemer seien.

Die heikle Balance des Tourismus

Tourismus ist in vielen Ländern ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und bei eher mittel- bis langfristiger Betrachtungsweise versus kurzfristigem Profit kann Tourismus Umwelt und Kulturgüter bewahren und schützen helfen.

Den Rangern in vielen Ländern Afrikas fehlen in den aktuellen touristenfreien Zeiten aufgrund der Pandemie wichtige Gelder zum Schutz und Erhalt der Tierarten, die von Wilderern bedroht sind.

Von Wasseraufbereitungsanlagen profitiert oft eine ganze Region, in der Hotellerie und im Gastronomiebereich gibt es Arbeitsplätze mit guten Aufstiegschancen.

Länger und langsamer

Meine Liste der Traumdestinationen, angeführt von Japan, ist gut gefüllt und ich hoffe, die Umsetzung der elektronischen Reisepässe mit Impfdaten geht schneller voran als die Entwicklung so mancher Corona App.

Rousseau wurde 1743 auf seiner Grand Tour im Hafen von Genua in eine spartanische Zelle für eine zweiwöchige Quarantäne geschickt. Das ist hoffentlich nicht mit langsamer gemeint.

Länger und langsamer bedeutet mehr Zugreisen zu den Orten Japans, die für ihr Kunsthandwerk, ihre Naturparks und ihre privaten Museen bekannt sind mehr Wanderungen und mehr Zeit an den einzelnen Orten.

Eine Analyse aller meiner bisherigen Kollegen zeigt, dass sich die Länge ihrer jeweiligen Urlaube nicht karrieremindernd ausgewirkt hatte. Im Gegenteil.

 

Die weitaus intensivere Vorbereitung auf zukünftige Fernreisen wird zu einem noch wichtigeren Teil der Reiseerfahrungen.

Siehe auch

Nicht nur das geliebte rote Buch des Michelin sondern auch das Studium von Quellen wie „Das Streben nach Vollkommenheit. Japanisches Handwerk zwischen Tradition und Moderne“ erhalten mehr Aufmerksamkeit, um den Fluss zukünftiger Erinnerungen randvoll zu füllen.

Auch Monocles „Book of Japan“ und Romane wie „Die Pfingstrosenlaterne“ verheißen neue Erfahrungen, nun, da der Wert jeder einzelnen Stunde auf Reisen sehr viel stärker bewusst wird.

Verloren auf der Suche nach Eleganz

Vorbei ist in vielen Bereichen wohl die Eleganz des Reisen. Die neuen Uniformen des Kabinenpersonals, die Philippine Airlines gerade vorgestellt hat, muten an wie eine Kombination von Seuchenschutzbekämpfung und Raumschiff Enterprise. Verständlich.

Im Heer der oft allzu leger gekleideten Mitreisenden waren die früheren Uniformen des Bordpersonals an Bord oft einer der wenigen Lichtblicke.

Auch architektonische Meisterleistungen von Flughäfen werden zukünftig wenig Chancen eines visuellen Eindrucks haben, bei maximalem Queue Management, Desinfektionsständern, Teststationen und sonstigen Sicherheitsvorkehrungen.

Umso wichtiger die Momente der Ruhe und Natur am Ziel der Reise und die Hoffnung, dass die Renaissance der Nachtzüge und der Ausbau von Schnellzugverbindungen zumindest in Teilen auch ein Stück elegantes Design zurückbringt, versus einer Designwelt, die zwischen Kindergarten und Wartehallen-Charme vergangener Jahre oszilliert.

Es muss nicht die Opulenz des Orient Express sein, deren Reisenden in den Anfangsjahren das Mitführen eines Revolvers empfohlen wurde, aber etwas mehr Anspruch an Interior darf es für das langsamere Reisen mit dem Zug schon sein, zumal das Zeitalter der günstigen Reisen zunächst einmal vorbei sein wird.

Kostbar

Das Reisen wird eine neue Bedeutung und Wertigkeit erhalten. Die Vorfreude, Planung und die Erinnerung daran werden noch kostbarer werden. Ist damit auch ein höheres Maß an möglicher Enttäuschung vorprogrammiert?

Ich hoffe nicht, denn mit den Erinnerung an diverse Lockdowns steigt auch die Freude an den kleinen Momenten.

Auf einem bislang fremden Platz in der Sonne zu sitzen und endlich wieder einen Ristretto zu trinken, der seinen Namen verdient, wird schon Glück bedeuten.

Und während ich die Newsletter der Airlines schmerzlich wegklicke, füllt sich meine Kladde mit all den interessanten Restaurants, die ich besuchen möchte und ich bin mir sicher, ich werde dann weder auf den Käsewagen noch auf das Dessert verzichten.

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