Ganz in Weiß, muss nicht sein
Nirgends in Europa wird so viel Spargel angebaut und gegessen wie in Deutschland. Insbesondere der weiße Spargel hat nach wie vor viele Liebhaber. Vielleicht muss sich auch hier vieles ändern, damit es bliebt, wie es ist.
„The Germans love their Spargel“
meint der ehemalige oberste Kommandierende des britischen Heeres, General Sir Nick Carter. Zu seinem Lunch mit der Financial Times im Imperial War Museum in London wird zwischen ausgemusterten Panzern und Kampfflugzeugen Spargel serviert.
Noch zaubert eine Schieferttafel „Heute frischer Spargel“ vor dem Gasthaus bei vielen ein Lächeln auf das Gesicht. Bleibt nur die Entscheidung, ob dazu Schinken, Schnitzel oder vegane Sauce Hollandaise serviert werden soll.
Der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland war 2021 auf 1,4 Kilogram pro Person gesunken, nach jahrelangen stabilen höheren Niveaus, vermeldet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Nicht begeistert
Auch in der aktuellen Saison sind die Spargelbauern nicht begeistert von der bisherigen Absatzentwicklung: Viel Sonne hat den Spargel gut wachsen lassen.
Aber der Krieg gegen die Ukraine und die Entwicklung der Energiepreise führen zu höheren Kosten bei den Spargelbauern und zu verstärkter Kaufzurückhaltung der Konsumenten bei diesem ganz speziellen Saisongemüse.
GloriousMe hat dazu noch eine weitere These:
Die Quadratur des Spargels
Die etablierten Fakten rund um den Spargel:
- Die Liebe zum Spargel wird bei den Konsumenten getrübt von der Angst, er könne zu holzig und zu bitter sein.
- Die Spargelfelder brauchen nach dem 24. Juni eine Erholungspause.
- Die Spargelliebhaber freuen sich auf den Start der Saison.
- Der Preis ist zum Saisonstart am höchsten.
Konsequent wird das gezüchtet und angebaut, was der Markt wünscht. Die neuen Züchtungen zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus:
- Gerade, dicke, weiße Spargelstangen, die sich auch maschinell leicht schälen lassen.
- Mit einer leichten Süße, damit niemand mehr Bitterkeit fürchten muss.
- Bereits am Beginn der Saison sehr ertragreich, damit das Preis-Premium zum Erntestart optimal genutzt werden kann.
Wir haben uns seitenlang durch die Beschreibungen der wichtigsten Spargelzüchtungen im professionellen Bereich gescrollt.
Das Wort Geschmack haben wir in keiner Beschreibung gefunden.
Vom charakterstarken Gemüse zum faden nicht störenden Beiwerk
Geschmack ist subjektiv. Aber die Vermutung liegt nahe, dass alte Spargelsorten wie der Ruhm von Braunschweig oder der Schwetzingen Meisterschuss mehr Charakter zu bieten hatten als Gijnlim, eine besonders ertragreiche und weit verbreitete neugezüchtete Spargelsorte.
Ein weiterer Grund für die rückgängige Absatzzahlen beim Spargel könnte daher sein, dass der Spargel immer mehr das verliert, was ihn so charakteristisch ausgezeichnet hat.
Vielleicht geht der Spargel den Weg des Apfels: Wir alle können Boskop von Braeburn und Berlepsch von Granny Smith und Pink Lady unterscheiden. Alte Sorten werden wiederentdeckt, interessante neue Sorten gezüchtet. Der Käufer kennt die Sorten und ihre Unterschiede und hat die Wahl.
Beim Spargel sind wir schon froh, eine regionale Herkunftsbezeichnung an der Kiste zu entdecken und so zu erfahren, dass der Spargel aus Beelitz, Franken oder Schwetzingen stammt. Mehr Information ist Luxus. Noch.
Just in Time für Geschmack
Neben der Sorte ist die Frische wichtig für den bestmöglichen Spargelgenuss. Je frischer, desto besser. Mit jedem Tag der Lagerung, auch in einem befeuchteten Leinentuch im Kühlschrank, verflüchtigt sich der Geschmack des Spargels.
Ein guter Spargelbauer oder ein engagierter Gemüsehändler in der Nähe sind von großem Vorteil. So ist es möglich, auch an interessante Spargelsorten zu kommen, beispielsweise Spargel der nicht nur Weiß oder Grün ist sondern dessen Farbe eher zu Ocker neigt oder violette Anteile besitzt.
Je näher das Anbaugebiet an Frankreich oder Italien liegt, desto größer die Chance interessantere Spargelsorten auf den Teller zu bekommen.
Wildspargel, mit interessant würzigem Geschmack, aber in der Regel auch kultiviert, stammt meist aus Frankreich. Die bekannteste Sorte davon trägt den Namen Preussischer Spargel.
Vive l’Europe
Wir sind dankbar, dass wir in diesen Zeiten, in denen die Ukraine um ihr Land und ihren Platz in Europa kämpft, uns überhaupt Gedanken über Spargelsorten anstellen zu können.
Den Spargel, den wir bei den Spargelhändlern unseres Vertrauens erhalten, genießen wir zunehmend mit stärker gewürzteren Beilagen, um den fehlenden Geschmack auszugleichen und immer öfter in Grün, Ocker und Violett.
Grüner Spargel mit Cannellini Bohnen, Kurkuma, Kreuzkümmel und Minze
Eine würzige, gelb-grüne Farbkombination, die mit etwas mehr Flüssigkeitszugabe Suppencharakter hat und mit weniger Flüssigkeit eine hervorragende Unterlage für gebratenen Fisch, Krabben oder Frikadellen darstellt.
Sollte vom selbstgemachten Kartoffelpüree des Vortages noch etwas übrig sein, findet es hier eine perfekte Verwendung.
Zutaten
Etwa 600 Gramm grüner Spargel
Kartoffelpüree vom Vortag (optional)
2 Dosen Cannellini Bohnen a 400 Gramm
0,5 Liter Gemüsebrühe
400 ml Kokosmilch
Glatte Petersilie
Frische Minze
Frühlingszwiebeln
Knoblauch
1 Esslöffel Kurkuma
1 Esslöffel Kreuzkümmel
Maldon Salz
Pfeffer
Zubereitung
Frühlingszwiebeln und Knoblauch in kleine Stücke vorbereiten. Glatte Petersilie und Minze hacken. Die harten Enden des grünen Spargels abschneiden und den mittleren Spargelteil in Stücke von etwa 1 cm Länge schneiden. Die Teile der Spitzen dürfen ruhig etwas länger bleiben. Enden und Spitzen separat halten.
Die Frühlingszwiebeln in einer Mischung von Butter und Öl bei mittlerer Temperatur andünsten, den Knoblauch hinzugeben und nach einigen Minuten mit Kreuzkümmel und Kurkuma würzen.
Nach einigen weiteren Minuten die abgetropften Cannellini Bohnen, die Gemüsebrühe und die Kokosmilch dazugeben. Falls noch Kartoffelpüree vorhanden ist, ebenso daruntermischen.
Je nach gewünschter Konsistenz mehr oder weniger Gemüsebrühe verwenden. Mit Maldon Salz und Pfeffer würzen und kurz aufkochen und kurz simmern lassen.
Zunächst die mittleren Spargelstücke hinzugeben und nach 2-3 Minuten die Spargelspitzen ebenso hinzufügen und zusammen etwa 5-7 Minuten ziehen lassen.
Kurz vor dem Servieren den Saft einer halben Naturzitrone sowie die Petersilie und frische Minze daruntermischen.
Wilder Spargel mit gebratenem Fisch
Das Spargelrezept für die schnelle Küche. Wilder Spargel braucht nicht geschält werden und kann in einer Mischung von Olivenöl und Butter in wenigen Minuten angebraten werden.
Aufgrund der sehr kurze Garzeit hat, kann man in der Pfanne daneben ein Stück Fisch nach Wahl (Thunfisch, Kabeljau oder Lachs) anbraten und auf dem wilden Spargel anrichten. Dazu ein Stück frisches Baguette und ein Glas Weißwein. Der perfekte Abschluss eines langen Tages.
Achtung Spargelwein
Sobald der Spargel im Supermarkt auftaucht wird daneben „Spargelwein“ platziert.
Nicht immer handelt es sich dabei um eine ernsthafte Weinempfehlung, die auch ein Sommelier so ausgesprochen hätte; oft ist es eine Vermarktungsaktion von Weinen, die es sonst schwer hätten, ernst genommen zu werden.
Dabei ist die Wahl des passenden Weines zum Spargel leicht: Weiß und nicht zu säurebetont sollte der Wein sein, sofern der Spargel noch den früher charakteristischen Geschmack und selbst Säure mitbringt.
Wenn das der Fall ist, lassen wir beim Spargel unsere Lieblingsrebsorte Riesling im Weinkeller oft liegen und entscheiden uns für eine säureärmere und etwas würzigere Scheurebe.
Mag man Silvaner oder Grauburgunder liegt man in der Kombination mit den meisten Spargelgerichten ebenso richtig.
Zu Spargelgerichten mit würzigem Fleisch wie Bratwürstchen oder anderen ausdrucksstarken Komponenten passt auch gut ein kühles Bier.
Weißer Spargel aus der Pfanne mit Mascarpone
Dank einer Empfehlung sind wir auf ein Weingut in Graubünden aufmerksam geworden, das einen sehr geschätzten Spargel anbaut.
Der Spargel wird ebenso unter schwarzer Folie gehalten, man verzichtet hier jedoch auf die Erdwälle, so dass der Spargel mehr Sonne und damit Farbanteile erhält.
Der Spargel wird nur vor Ort, im Schloss Reichenau und in nahegelegenen Läden verkauft, so dass wir ihn leider nicht testen konnten.
Ausprobiert haben wir jedoch das Rezept, das Gian-Battista von Tscharner, der Besitzer des Weingutes und Spargelhofs empfiehlt, denn es schien uns mit seinen wenigen Zutaten sehr attraktiv.
Seine Empfehlung der Zubereitung geht schnell und schmeckt köstlich, allerdings benötigt der Spargel, selbst wenn er sehr frisch ist, eine längere Garzeit als im Ursprungsrezept angegeben. Hier die GloriousMe Version:
Zutaten für 2 Personen als Beilage
8 Stangen weißer Spargel, geschält und gewaschen, mittlere Stärke
2 Esslöffel Butter
100 Gramm Mascarpone
Maldonsalz, Pfeffer
4 Stangen Frühlingszwiebeln
Die Spargelstangen in 3-4 cm lange Stücke schneiden. Butter in einer großen Pfanne aufschäumen lassen und die Spargelstücke darin bei milder Hitze schmoren lassen. Die Pfanne am besten zudecken.
Je nach Spargeldurchmesser benötigt der Spargel etwa 10 Minuten. Sobald der Spargel erster leichte bräunliche Spuren zeigt, Mascarpone hinzugeben und noch 2-3 Minuten weiter schmoren lassen. Mit Maldonsalz und Pfeffer würzen.
Kurz vor dem Servieren die in kleine Ringe geschnitten Frühlingszwiebeln darunterheben.
Dazu passt ein schönes Glas Weißwein, gekochter Schinken und ein fränkisches Brot mit Kümmel.
Falls Sie Gian-Battista beim Genuss in der Küche sehen wollen, geht es hier entlang.
Spargel im Homeoffice
Weißer Spargel hat den großen Vorteil, dass sich aus den Schalen und Enden der Spargelsud kochen lässt, der am nächsten Tag eine schnelle Suppe im Homeoffice ermöglicht.
Mehr Farbe im Leben lässt sich auch beim Thema Spargel praktizieren. Es kann, muss nicht immer der weiße Spargel sein.
Und wenn es nach unserer Vorliebe geht, dann können zukünftige Spargelzüchtungen gerne wieder mehr Charakter zeigen, damit aus der alten Liebe eine neue wird.
Fotografien © GloriousMe