Von McKinsey und GloriousMe empfohlen
Als die Unternehmensberatung McKinsey, von der früher gerne der Spruch „Lunch is for Losers“ kolportiert wurde, jüngst ein Buch zum Thema Reden ist Silber, Schweigen ist Gold empfohlen hat, wurden wir hellhörig
Stille, kostbarer noch als Gold
Stille, die Abwesenheit von Lärm, zu finden, ist in unserer Umwelt nahezu unmöglich geworden. Selbst an Orten, an denen man sie vermutet, ist sie nicht vorhanden.
In der Antarktis hört man den Schiffsverkehr, in den tiefen Wäldern Kanadas die darüber gleitenden Flugzeuge und in unseren Städten ertönen die Sirenen von Rettungsfahrzeugen mit immer höherer Lautstärke, um entsprechende Aufmerksamkeit zu erhalten.
Diese Stille ist jedoch nicht unbedingt gemeint, wenn die Autoren Justin Zorn und Leigh Marz die kostbare Stille in ihrem jüngst erschienenen Buch „Golden. The Power of Silence in a World of Noise“ beschreiben.
Der Wert der Stille liegt aus ihrer Sicht in der Präsenz der Person. Ganz bei sich zu sein, ohne jede Ablenkung, möglichst auch ohne innere Stimme.
Warum ist Stille so schwer?
Es liegt in der Natur des Menschen, ständig nach neuen Informationen zu suchen. Der Informations-Lärm steigt ständig an.
Der ehemalige CEO von Google Eric Schmidt hat den Umfang dieser Form von Lärm 2010 treffend beschrieben „Every two days, we now create as much information as we did from the dawn of civilization up until 2003“.
Es geht nicht um Digital Detox oder gar eine Verdammung der Informationstechnologie.
Äußerer und innerer Lärm
Zum Lärm, der uns ständig umgibt, dem Nachrichtenton des Mobiltelefons der Kollegin, der Musik des Sitznachbarn in der S-Bahn, den kohletransportierenden Güterzügen in der Nacht und den Stimulierungen, die wir selbst suchen, addieren sich unsere inneren Stimmen.
Die Mehrzahl von uns neigt dazu, im Kopf ständig zu bewerten, Vergangenes mehr oder weniger gut zu verarbeiten, frühere Entscheidungen in Frage zu stellen und Statements zu formulieren, die möglicherweise nie abgefragt werden.
Kommen dazu, wie in Zeiten des Krieges gegen die Ukraine Ängste und Zukunftssorgen, ist die Kakophonie im Kopf nahezu unerträglich und Stille schwer zu finden.
Ertragen wir Stille überhaupt?
Übermäßig beschäftigt zu sein, einen übervollen Terminkalender zu haben, von allen Seiten gefragt zu sein, wird als attraktiv und erstrebenswert angesehen.
In einem leeren Raum zu sitzen, ohne dabei zum Mobiltelefon greifen zu können, wird von vielen als kaum zu ertragende Tortur empfunden.
Formulierungen wie „unerträgliche Stille“ haben wir verinnerlicht.
Das Publikum, das 1952 erstmals das Stück von John Cage 4’33’’ erlebte, war in großen Teilen nicht amüsiert und verließ teils entrüstet die Kammermusikhalle in Woodstock, New York.
Für die drei Teile dieses Musikstücks gibt der Komponist jeweils nur das lateinischen Wort Tacet vor: Schweigt. Der Musiker, in diesem Fall ein Pianist, spielt keinen Ton.
John Cage, inspiriert von den weißen Gemälden Robert Rauschenbergs, war keineswegs der Ansicht, dass er Stille komponiert hatte.
Sein Anliegen war es, die Zuhörer all die Geräusche und Töne erleben zu lassen, die ständig präsent sind: Vom Rauschen des Windes, dem Husten der Zuhörer und dem Sitznachbarn, der empört aufsteht und geräuschvoll die Tür des Konzertsaales hinter sich ins Schloss fallen lässt.
„Wann haben Sie tiefe Stille erlebt?“
Die Autoren stellten diese Frage allen Personen, mit denen Sie über ihr geplantes Buch sprachen und stellten dabei fest, dass jedem der Befragten sofort eine Situation einfällt, in der sie tiefe Stille verspürt haben und ganz bei sich waren.
Die Situationen, die beschrieben wurden, variieren stark. Nicht immer ist es äußere Stille, die beschrieben wird. Innere Stille und Präsenz wird von den Befragten auch in Situationen beschrieben, die äußerlich keineswegs still sondern eher turbulent waren.
Stille als (innerer) Frieden verstanden
Amanda Gorman hat eine wichtige Dimension der Stille in ihrem Gedicht anlässlich der Amtseinführung von US Präsident Biden wie folgt formuliert:
„We’ve learned, that quiet isn’t always peace“
Die Autoren finden für diese Art der Stille das prägnante Bild einer Lotusblume: Der Untergrund des Sees oder Tümpels, in dem die Lotusblume wurzelt und aus der sich die klare, strahlende Blüte erhebt, ist oft von undurchsichtigem Schlamm bedeckt.
Still sein, um produktiv zu bleiben
Mohandas Ghandi reservierte sich einen Tag in der Woche als Tag des Schweigens. Das bedeutete nicht unbedingt, dass er sich an diesem Tag in die Einsamkeit zurückzog und meditierte. Er las oder traf andere Menschen, denen er zuhörte, aber nicht antwortete; er schwieg.
Seine Anhänger berichteten, dass seine Reden nach diesem Tag des Schweigens besonders inspirierend und klar gewesen seien.
Für die meisten von uns, ist ein Tag des Schweigens nur schwer realisierbar.
Wünschenswert erscheint ein regulärer Tag des Schweigens für Politiker. Viele erscheinen davon getrieben zu sein, so schnell als möglich den nächsten Tweet und das nächste Statement vor laufender Kamera abzugeben.
Die Überlegung „Schnell ein Presse-Statement“ ist kontinuierlich präsent, oft auf Kosten der Klarheit und Qualität und des Inhaltes.
Im Ernstfall, so die Autoren, kann Stille sogar heilen und beschreiben den Fall einer nach einem Verkehrsunfall schwerverletzten Frau, die nahe am Burn-out, von der Fahrbahn abkam und mit schweren Kopf- und anderen Verletzungen in das Krankenhaus eingeliefert wurde.
Die Ärzte waren, nachdem die Wunden versorgt waren, der Meinung, dass nun Stille für den Heilungsprozess der betroffenen Hirnteile notwendig sei. Und hatten Recht.
Selbstverständlich handelt es sich hierbei um eine anekdotische Referenz und nicht um evidenzbasierte Medizin, aber es ist nachvollziehbar, dass Teile des Gehirns die Stille zur Regeneration benötigen.
Wo finden wir Stille?
Gordon Hempton bezeichnet sich selbst als Akustik-Ökologe und begibt sich regelmäßig auf Reisen, um stille Orte in der Natur zu finden.
Da es die absolute Stille in der Natur nicht gibt, sind diese Ort nicht geräuschlos, man hört beispielsweise die Tiere und den Wind der amerikanischen Prärie, die Wellen des Ozeans oder Vögel in einem einsamen Canyon.
Wer mag, kann sich diese akustischen Beispiele von Soundscapes auf der Homepage von Gordon Hempton anhören.
Soundscapes sind populär und werden in Kursen oder digital in einer Reihe von Spas angeboten, beispielsweise die Geräusche der Hebriden in Schottland, passend zu einer Kosmetikserie, die dort wachsende Algen verwendet.
Um Stille regelmäßig zu erfahren und auf diese Weise die Vorteile der Stille zu nutzen, um klarer, selbstbestimmter und kreativer zu sein, benötigen wir Stille im Alltag.
Empfehlungen für Stille im Alltag
Die Autoren von „Golden. The power of Silence in a World of Noise“ sprechen unter anderem folgende Empfehlungen aus:
Einfach nur zuhören
Still sitzen und nichts anderes tun als zuhören. Egal wo Sie sich befinden. Dem Sprudeln des Wassers in der Karaffe lauschen, dem Verkehr auf der Straße, dem Rauschen im eigenen Ohr. Einfach nur zuhören.
Unterbrechungen als Geschenk ansehen
Der Podcast, dem man gerade zugehört hat, stoppt unvorhergesehen. Nicht ärgern sondern die kurze Pause als Geschenk betrachten.
Mikropausen im Übergang
Die Wechsel im täglichen Alltag bewusst wahrnehmen und sie suchen. Dabei ist jedoch nicht das Ergebnis wichtig, sondern der Prozess, beispielsweise das Mahlen der Kaffeebohnen, der Duft des frisch gerösteten Kaffees, der Gang über den Parkplatz im Sonnenschein.
Ein stiller Sonntag
Einen Tag lang nicht sprechen, so wie es Mohandas Gandhi vorzugsweise am Mittwoch getan hat, ist für die meisten von uns schwierig zu realisieren. Ein stiller Sonntag lässt sich eher einplanen.
Fazit
Die Autoren bieten in ihrem Buch viele weitere Anregungen Stille zu suchen. Das Buch wäre in der Esoterik-Abteilung einer Buchhandlung falsch einsortiert. Gerade deswegen fanden wir es interessant und empfehlen es als leichte aber wichtige Lektüre für alle, die es wagen wollen, still zu sein.
#Werbung #Produktplatzierung #UnabhängigeGMEmpfehlung #BecauseWeLoveIt
Fotografie © GloriousMe