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UNVERNÜNFTIGE GASTFREUNDSCHAFT VON WILL GUIDARA

UNVERNÜNFTIGE GASTFREUNDSCHAFT VON WILL GUIDARA

 

 

Gedanken zur Gastfreundschaft

Gäste zu begeistern, statt nur zu bewirten, das klingt in einer Zeit, in der reduzierte Öffnungszeiten, überfordertes Personal und viele Schließungen guter Restaurants auf der Tagesordnung stehen, wie ein Traum. Dennoch ein sehr lesenswertes Buch.

Unvernünftige Gastfreundschaft – nicht nur ein Buchtipp

Wie oft standen Sie schon mit großer Erwartung und Vorfreude im Eingangsbereich eines Restaurants in dem Sie schon Wochen zuvor, einen Tisch gebucht haben? Nachdem Sie Ihren Namen und Details zu Ihrer Reservierung genannt haben, passiert zunächst einmal: Nichts.

Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin am Empfangstresen vertieft sich in einen Bildschirm um mehr oder weniger schnell ihre Reservierung aufzurufen und die Tischverteilung anzusehen und einzuordnen. Sie sehen derweil auf auf den Kopf der Person, oder schlimmer noch, stehen ähnlich einem Bittsteller vor dessen Stehpult.

Gefühlt dauert die Wartezeit ewig. Ist es eine persönlich oder geschäftlich besonders wichtige Reservierung bricht Nervosität aus: Was, wenn die Reservierung verloren gegangen ist? Was, wenn das Restaurant überbucht hat? Was wenn der Tisch am Fenster, den man für dieses Essen so gerne haben möchte, bereits vergeben wurde?

Für das New Yorker Restaurant Eleven Madison Park hatte sich Will Guidara für diese Situation, die in fast allen Restaurants gleich abläuft etwas überlegt: Sobald ein Gast eine Reservierung getätigt hatte, wurde nach einem Bild der Person im Internet gesucht. Wenn ein Bild der Person, auf dessen Name der Tisch reserviert wurde im Netz existierte, hatte man es gefunden und für den Tag und die Zeit der Reservierung an den Service zur Vorbereitung gegeben.

Sobald Sie dort das Restaurant betreten, lächelt Sie der Servicemitarbeiter an, begrüßt Sie mit „Herzlichen Willkommen Herr/ oder Frau XY. Schön, dass Sie heute bei uns zum Mittagessen sind“.

Welch ein Unterschied. Etwas mehr Mühe und aus dem Gast als Bittsteller, wird ein Gast, der sich willkommen und geschätzt fühlt. Bill Guardia nennt es: Unvernünftige Gastfreundschaft (Unreasonable Hospitality im englischen Originaltitel). 

Mit unvernünftiger Gastfreundschaft zum Erfolg

Will Guidara hatte nach dem Studium und ersten praktischen Erfahrungen mit 26 Jahren die Leitung des Restaurants Eleven Madison Park übernommen. Gleichzeitig wurde der Schweizer Koch Daniel Humm engagiert. Aus einem Restaurant im Mittelfeld haben die beiden das Restaurant durch harte Arbeit über mehrere Jahre hinweg zu einem der 50 besten Restaurants der Welt geführt.

Die Idee von Will Guidara war es, jeden Prozess im Service eines Restaurants zu hinterfragen und zu überlegen, wie er, neben den Spitzenleistungen von Daniel Humm auf dem Teller, die Gäste mit herausragendem Service begeistert kann. Die beiden wollten Service, der begeistert und die Gäste veranlasst, darüber mit ihren Freunden und Bekannten zu sprechen.

Eine Familie, die vor ihrer Heimreise nach Europa das Abschiedsessen im Eleven Madison Park zelebrierte, unterhielt sich, dass sie kulinarisch in New York sehr viel erlebt hatten, aber leider nicht den berühmten Straßen-Hotdog probieren konnte. Will Guidara schickte einen Mitarbeiter zum nächsten Hotdog-Stand und ließ den Hotdog auf feinem Restaurant-Porzellan servieren. Begeisterung rund um den Tisch.

Nach dem Essen musste niemand nach einer Garderobenmarke suchen und auf die Garderobe warten. Sie war in dem Moment, in dem der Gast bezahlte schon in einen kleinen Raum neben dem Ausgang gebracht und dort angereicht worden.

Interessierte sich jemand für die Produzenten der Butter oder des Käses, bekam er eine kleine Karte an den Tisch gebracht, auf dem er die Informationen, die er zum Produzenten vom Service erfahren hatte, später nochmals nachlesen konnte.

Das Buch ‚Unvernünftige Gastfreundschaft‘ enthält zahlreiche Beispiele, wie es gelang mit Empathie und Einfühlungsvermögen das Essen in diesem Restaurant zu einem Erlebnis zu machen, das nicht nur Spitzenkulinarik auf dem Teller servierte, sondern den Gast tatsächlich Gastfreundschaft erleben lies.

Traum oder Realität?

Unter der Leitung von Will Guardia und Daniel Humm erhielt das Restaurant Eleven Madison Park die bestmögliche Benotung des wichtigsten Kritikers der New York Times und wurde mit Sternen des Guide Michelin ausgezeichnet.

Da mag der ein oder andere sagen, auf diesem Preisniveau ist es möglich, den Gast zu verwöhnen. Nun, die Margen in Spitzenrestaurants sind hart verdient. Zum anderen hat Will Guardia seine Leidenschaft für die Details auch schon in seinen vorangegangenen Funktionen bewiesen, beispielsweise als er für die Cafés und das Mitarbeiterrestaurant des MOMA Museums in New York verantwortlich war. 

Dort lies er vom besten Eissalon der Stadt einen Eiswagen entwickeln, der im berühmten Skulpturengarten des Museums in den warmen Monaten unterwegs war. Aber nicht nur am Eiswagen wurde lange getüftelt: Für Gesprächsstoff sorgte der kleine blaue Eislöffel, den man dazu bekam und der selbst die Kuratoren des Museums bei einem Besuch begeistert hat. An der Entwicklung dieses kleinen Details hatte Will Guidara monatelang getüftelt.

Und darin liegt der Kern der Botschaft dieses Buches: Sich mit einem Detail besondere Mühe geben, das den Käufer, den Gast, den Besucher, den Freund oder die Freundin überrascht, begeistert und in Erinnerung bleibt, lohnt sich. Das kann ein kleiner blauer Eislöffel aus Plastik sein.

Wahre Gastfreundschaft ist immer unvernünftig

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Gastfreundschaft geht im besten Fall über das, was gemeinhin erwartet wird, hinaus. Wir alle können sie im eigenen Zuhause unsere Gäste spüren lassen oder im beruflichen Umfeld praktizieren.

Nicht auf Quantität, sondern auf Qualität kommt es an: Sich zu erinnern, was der oder die andere beiläufig erwähnt hat. Die Tür für spontanen Besuch zu öffnen, obwohl es gerade überhaupt nicht passt. Das zu teilen, was man selber gerne mag.

So gesehen ist jede echte Gastfreundschaft unvernünftig, denn sie basiert nicht auf rationeller Überlegung sondern auf Gefühl und der Freude daran, die extra Meile zu gehen.

Und Eleven Madison Park?

Will Guidara und Daniel Humm waren nach einiger Zeit von Angestellten zu Eigentümern geworden und das Restaurant hat drei Michelin-Sterne erreicht.

Metropolitan Life North Building, 11 Madison Avenue, the Flatiron District © GloriousMe

Dann trennten sich die Wege. Daniel Humm zahlte seinen ehemaligen Miteigentümer Will Guidara aus und änderte das Küchenkonzept. Eleven Madison Park ist mittlerweile ein veganes Restaurant und das erste Veganer Restaurant, das vom Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichnet wurde.

Das Buch von Will Guidara ist für jeden, der sich für guten Service im Restaurant begeistern kann, ein interessantes, lesenswertes Buch, das viele charmante Ideen enthält, die man sich als Gast wünscht. Der biographische Teil des Buches erzählt von Will Guardias Eltern, davon, dass ein Lächeln einen Raum füllen kann und Wärme ausstrahlt, die durch nichts zu ersetzen ist und man versteht, warum ihm Service, der Empathie und Wärme ausstrahlt, so wichtig ist.

Fotografien © GloriousMe

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