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I LOVE YOU TOO MUCH – BUCHKRITIK

I LOVE YOU TOO MUCH – BUCHKRITIK

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MEHR SCHEIN ALS SEIN

I LOVE YOU TOO MUCH
von Alicia Drake

Wir wollen nicht mehr scheinen, als wir sind… sagt der Urenkel des letzten deutschen Kaisers und heutige Chef des Hauses Hohenzollern. Mit ihrem Roman I LOVE YOU TOO MUCH zeichnet Alica Drake das Bild einer bestimmten Pariser Gesellschaftsschicht, in der das Gegenteil en vogue ist.

BY THE EDITOR // KARIN M. KLOSSEK

Georg Friedrich Prinz von Preußen betont in in seinem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ vom 8. November 2018) „Wir wollen nicht mehr scheinen als wir sind“. Im Alicia Drakes Roman ist Schein als Sein die bevorzugte Lebensform: Man lebt im 6. Arrondissement, weil es hier die vermeintlich besten Schulen, die richtigen Nachbarn, den Jardin du Luxembourg und die Bäckereien gibt, die das Baguette nach altem Rezept herstellen.

Allein mit dieser Erklärung entlarvt man sich jedoch schon als Außenseiter. Denn natürlich ist für die Bewohner des 6. Arrondissements ein elitärer Lebensstil selbstverständlich und es wäre unvorstellbar einen anderen Stadtteil als Adresse in Paris angeben zu müssen solange man Kinder im schulpflichtigen Alter hat.

Im Frühjahr trifft man all die richtigen Nachbarn und Freunde in der Bretagne im Speisesaal eines exklusiven Hotels wieder, denn Thalassotherapie verspricht, die formidable Figur in Top-Form zu halten. Den Winter verbringt man in einem traumhaften Chalet in Megève, natürlich very instagrammable.

In dieser Welt lebt der dreizehnjährige Paul und beobachtet seine Mutter und ihren jungen neuen Lebensgefährten, den Musiker Gabriel, mit dem er auf dem Weg in das beste Krankenhaus von Paris ist, wo seine Mutter gerade Lou, seine Stief-Schwester zur Welt gebracht hat. Er sucht die Nähe zu seinem Vater, der in der Finanzindustrie arbeitet und versucht, dessen Fitness-Obsession zu verstehen, die der Vater nach der Scheidung von seiner Mutter plötzlich entwickelt hat

Niemand jedoch nimmt Notiz von Paul selbst. Seine Mutter konzentriert sich darauf, aus dem Krankenhaus die bestmöglichen Bilder zu posten und hebt kaum den Blick, als er ihr Zimmer auf der Geburtsstation des Krankenhauses betritt. Die Aufmerksamkeit seines Vaters gehört den jeweils aktuellen Trainingswerte und den kontinuierlichen beruflichen Conference-Calls.

Seine Eltern sind maßlos enttäuscht, dass er die Aufnahme in die angesagte Schule nicht geschafft hat und erkennen nicht, dass sein Drang bisweilen maßlos Unmengen von Süßigkeiten und Fastfood zu vertilgen, ein Ausdruck seiner Einsamkeit ist.

Lediglich Cindy, das philippinische Hausmädchen, das in Paris arbeitet, um die Ausbildung ihrer beiden Kinder, die sie sehr vermisst, finanzieren zu können, hat ein gutes Gespür dafür, wie es in ihm aussieht. Auch das Mädchen Scarlett, die ebenso wie er, nicht die richtige Schule in Paris besucht, scheint ihn zu verstehen.

Der gesamte Roman ist aus der Perspektive von Paul geschrieben, der seine Umwelt beschreibt und, da er selbst nie beachtet wird, eines Tages eine Beobachtung macht, die seine Welt komplett aus den Fugen geraten lässt. In der Welt des Scheins, die für seine Eltern, Großeltern und alle anderen so ungemein wichtig ist, kann er seine Verzweiflung über diese Beobachtung mit niemandem teilen.

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Der Erstlingsroman der Engländerin Alica Drake, die achtzehn Jahre in Paris gelebt hat, bevor sie wieder nach England zurückgekehrt ist, hat mich berührt. Er zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die mit scheinbar unendlicher Energie damit beschäftigt ist, das Idealbild der ewigen Jugend und eines sorgenfreien Lebensstil zu zelebrieren, in einer kühlen, lakonischen Sprache, die entlarvend ist.

Unwillkürlich ertappt man sich dabei, im eigenen Leben und Umfeld die Bedeutung von Schein und Sein zu analysieren und atmet erleichtert auf wenn man feststellt, dass man kein komplettes Ebenbild von Pauls Eltern darstellt.

Ein spannendes Buch, das man nur sehr ungern aus der Hand legt, bis man an der letzten Seite angelangt ist. Unbedingt lesenswert.

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