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BADEKULTUR IN JAPAN

BADEKULTUR IN JAPAN

 

Muss man zum Baden nach Japan reisen?

Auf den ersten Blick ein leichtes, entspannendes Thema. Auf den zweiten Blick geht es um viel mehr

Badekultur in Japan

Heißes Wasser bietet Entspannung für Körper, Geist und Seele. In Japan nimmt man die Badekultur ernst. Das gilt in allen Bereichen: Das einfache Gemeinschaftsbad in das man nach der Arbeit geht, bis hin zum edelsten Luxus-Ressort in einem der zahlreichen Onsen-Gebiete Japans.

In einem Onsen-Bad wird das Wasser aus natürlichen heißen Quellen gespeist. Das Wasser enthält, je nach geologischer Beschaffenheit des jeweiligen Gebietes, in dem sich das Wasser befindet, zahlreiche Mineralien oder Edelgase wie beispielsweise Radon.

Wo liegt der Unterschied?

Radon Bäder, so mag der ein oder andere Leser einwenden, gibt es doch auch in Bad Brambach in Sachsen oder im österreichischen Bad Gastein. Wo liegt der Unterschied zur Badekultur in Japan?

Meiji-Era Badehaus Hoshi no yu, Chojukan, Hoshi Onsen, Japan © Skye Hohmann, Alamy Stock Photo

Körperreinigung

In einem japanischen Badehaus ist die gründliche Reinigung vorab extrem wichtig. So wichtig, dass alle restlichen Badenden entsetzt das Wasser verlassen, wenn der oder die neu dazukommenden Badenden sich zuvor nicht gründlich gereinigt haben.

Sorgfältiges reinigen mit Seife oder anderen Reinigungsmitteln, mit Dusche oder traditionell mit Eimer voll Wasser, deren Inhalt man über sich entleert, gehört dazu.

Sorgfältig bedeutet tatsächlich sorgfältig. Katzenwäsche gilt nicht.

Erst wenn man gründlichst gereinigt ist, betritt man das warme Badewasser. Alle anderen bleiben entspannt und man kann selbst die Entspannung  genussvoll genießen.

Gemeinschaft

Die Reinigung vorab und das Bad finden in der Regel in der Gemeinschaft statt. Mit Ausnahme von exklusiven privaten Onsen-Bademöglichkeiten, die es ebenso gibt. In den Gemeinschaftsbädern meist getrennte Bereich für Frauen und für Männer.

Auch beim gemeinschaftlichen Bad ist die Diskretion perfekt. Man beobachtet ohne zu schauen oder gar zu starren. Gespräche werden plätschernd wie das Wasser leise geführt und jeder mit seinem Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung respektiert. Alle können sich wohlfühlen.

Yukata Kimono, Chiba, Japan © Gary Conner, Alamy Stock Photo

Philosophie

Das Baden ist in Japan keine pragmatische Angelegenheit, die man schnell hinter sich bringt oder lauter Spaß mit Rutschen, Krach und Lautsprechern, sondern eine Philosophie und Weltanschauung.

Siehe auch
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Der hohe Wert dem man in Japan der Gemeinschaft zumisst, in der sich alle wohlfühlen sollen, wir hatten zuvor darüber berichtet, findet sich auch in der Badekultur wieder.

Das sind die Gründe, warum wir es nicht erwarten können, wieder das Bad in Japan zu genießen, denn unsere Erfahrungen in Europa sind andere:

Im wunderbaren Hotel in der Nähe der Ostsee parlieren hanseatische Großfamilien in feinstem Cashmere gewandet und auch sonst scheinbar dem exklusivsten Lifestyle-Katalog entsprungen, mit der Überzeugung selbst Stilikonen darzustellen. Am nächsten Morgen sieht man sie verschlafen und ungeduscht, nur im Bademantel gehüllt, fröhlich in den Pool springen. Ungerührt, dass alle anderen, sich entsetzt abwenden.

Im römischen Bad in Baden-Baden werden Ruheräume dazu genutzt sich lautstark über völlige Belanglosigkeiten zu unterhalten.

Auf Menorca meint das französische Paar das Duschen mit dem Kommentar „typisch Deutsch“ kommentieren zu müssen und springt (bestens eingeölt und völlig verschwitzt ) direkt in den Pool.

Uns fehlen weitere Worte und wir könnten uns vorstellen, dass der ein oder andere dies für Luxusprobleme hält. Und sie haben damit recht, wenn wir nach Israel und in die Ukraine blicken. Aber sind es wirklich nur Luxusprobleme oder beunruhigende Symptome der Entwicklung von Werten in unserer Gesellschaft?

Titelfoto: Onsen See Aomori, Japan © Zoonar, Alamy Stock Photo

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