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RADIKAL AUFRÄUMEN

RADIKAL AUFRÄUMEN

Radikal aufräumen führt zu Euphorie und Leichtigkeit, ähnlich einem Frühlingshimmel.

 

Der einzige Bereich, in dem allein
wir die Kontrolle in der Hand haben

Ja, GloriousMe hat in diesen Zeiten der Pandemie etwas mehr Ingwer,  Anchovis, Mehl für Pasta und Parmesan im Vorratsschrank. Aber, bevor die Sachen, wie sonst üblich, in Eile eingeräumt wurden, haben wir erst mal radikal ausgeräumt.

 

Beschämend, dass beim radikalen Ausräumen der Vorratskammer teure Spezialitäten das Tageslicht erblickten, deren Haltbarkeit zum Teil bereits seit Jahrzehnten abgelaufen war: Grüne Walnüsse aus Österreich, eingelegte Zitronen aus Italien und andere Spezereien, die für ganz besondere Essen geplant waren.

Millimeter für Millimeter rutschten sie langsam in der Vorratskammer nach hinten, bis sie, trotz natürlicher Konservierung, nun doch gesundheitsbedenklich schienen.

Das hat gleich vier Effekte gehabt:

1. Es werden keine unmäßig neuen Vorräte angelegt, denn auf einen Blick ist ersichtlich, was noch vorhanden ist.

2. Kulinarische Kostbarkeiten kommen nun sehr viel schneller auf den Tisch und alle freuen sich.

3. Das Gefühl, wirklich radikal Ordnung geschaffen zu haben, ist mächtig und hält an.

4. Radikal aufräumen erleichtert und hat Suchtpotential — Schritt für Schritt sind nun alle anderen Räume dran.

Es geht um Kontrolle der anderen Art

Menschen, in deren Schränken oder Kellern es sich stapelt, sind oft Persönlichkeiten, die ansonsten sehr gut organisiert sind. Oft zeichnen Sie sich durch hohe Disziplin aus und planen und organisieren hervorragend: Im Berufsleben oder im Ehrenamt, für die Familie, für Organisationen, Teams, Mitarbeiter und Kunden.

Dieses Engagement geht in der Regel mit einem hohen Zeitaufwand Hand in Hand, so dass in den wenigen Stunden der Freizeit die Lust, den Berg an Aufräumarbeiten anzugehen, gering ist und interessantere, spannendere oder entspannendere Aktivitäten Vorrang erhalten.

So wird nur das Notwendigste aufgeräumt und das ohne richtiges Erfolgserlebnis. Kurzzeitig sieht die Wohnung oder das Haus passabel aus, aber es entsteht nicht der Eindruck, beim Aufräumen wirklich einen entscheidenden Schritt weitergekommen zu sein.

In extremen Ausnahmesituationen und manchmal auch im beruflichen Umfeld merken wir, dass es trotz großem Engagement und bestem Willen nicht möglich ist, die Kontrolle zu behalten. Im eigenen Zuhause radikal aufzuräumen, verschafft ein angenehmes Glücksgefühl.

Plötzlich erhält man wieder die Kontrolle über all die Dinge, die sich über Zeit angesammelt haben und die, bisweilen unmerklich, angefangen haben, uns die Luft zum Atmen zu nehmen. Das Ergebnis: Mehr Freiheit und mehr Freude an den Dingen, die uns  lieb und wertvoll sind.

Keine Zeit?  

Radikal aufräumen ist nicht zwischen zwei Telefonkonferenzen oder mit der engen Deadline eines Projektes im Hinterkopf zu schaffen. Am Ende eines langen Tages die Zeit, die noch übrig ist, zum effektiven Aufräumen und Neustrukturieren zu verwenden? Vergessen Sie es, denn auf diese Weise schafft man nur, das Notwendigste anzugehen.

Haben Sie jedoch Lust bekommen, Ihre Zimmer, Schränke, den Keller oder den Dachboden wirklich neu zu strukturieren und die neu gewonnene Ordnung beizubehalten, dann lohnt es sich, die folgenden Tipps zu beherzigen:

Vier Stunden sind das Minimum

Darunter lohnt es sich kaum, anzufangen. Denn nicht nur das Ausräumen und das Neustrukturieren braucht Zeit. Die Sachen, von denen Sie sich trennen möchten, verursachen auch Zeitaufwand. Insbesondere dann, wenn Sie nicht alles in großen Kisten zum Recycling-Hof Ihrer Stadt fahren wollen, sondern Sachen nachhaltiger entsorgen möchten durch Verkaufen, Verschenken, Verändern.

Die meisten Dinge, von denen wir uns trennen möchten, sind noch gut zu verwenden und mit zu hohem Ressourcenaufwand produziert worden, um sie auf die Müllkippe zu bringen.

Starten Sie mit einem überschaubaren und sichtbaren Bereich

Radikal auszuräumen benötigt eine gewisse Routine. Der erste Raum, der erste Schrank benötigen die meiste Zeit; danach stellt sich ein gewisser Aufräummodus ein. Starten Sie daher nicht höchst ambitioniert mit einem riesigen Keller, sondern eher mit einem überschaubaren Bereich, den Sie danach im täglichen Leben oft sehen.

Denn so gut das Gefühl sein mag, den Dachboden endlich mal in Schuss gebracht zu haben, die neue Ordnung und Struktur tagtäglich oder sogar mehrmals am Tag zu sehen, ist der beste Anreiz, den nächsten Bereich anzugehen.

Vielleicht ist es nur ein einziger Regalboden oder ein Fensterbrett, mit dem Sie starten möchten, weil sich dort Bilder, Bücher oder dekorative Teile angesammelt haben. Reduziert um die Hälfte oder gar um 80 Prozent, hat jedes einzelnes Teil plötzlich die Chance, einmalig zu wirken.

Tageslicht lässt klarer sehen

Helles Tageslist ist für das radikale Ausräumen ideal. Man sieht Flecken und Beschädigungen einfach besser und “bei Tageslicht besehen” muss sich jedes einzelne Objekt stärker beweisen. Die emotionale Entscheidung, sich von Dingen zu trennen, fällt im harschen Tageslicht leichter.

Vor dem Countdown: Säcke, Kisten und einen großen Spiegel organisieren

Müllsäcke und diverse Kisten sind die wichtigsten Utensilien beim Ausräumen. Denn alles, von dem Sie sich trennen, sollte entsprechend der Weiterverwertung oder Entsorgung gleich ebenso getrennt werden. Die Kisten sind bei schweren Gegenständen für den Transport praktisch und gleichzeitig helfen Kisten im Regal oder Schrank die einmal erreichte Übersicht und Ordnung beizubehalten.

Alles muss raus

Radikales Aufräumen beginnt damit, alles aus dem Regal, Schrank oder einem sonstigen Bereich herauszuräumen. Den leeren Schrank oder das leere Regal zu sehen, gibt schon ein gutes Gefühl. Meist ist man erstaunt, wieviel dort überhaupt jemals Platz gefunden hat — ein erster heilsamer Effekt. 

Jeder Gegenstand, jedes Kleidungsstück, jede Konserve, jedes Buch, jede Kerze, jedes Glas, jede Tasche, jeder Ordner sollten einzeln in die Hand genommen werden, um im Anschluss die Entscheidung zu treffen: Kann weg oder bleibt da.

Bleibt da, aber sichtbar

Das wichtigste Prinzip, die Ordnung einzuhalten, ist die Sichtbarkeit der Gegenstände zu erhöhen. Niemand wirft guten Gewissens Lebensmittel weg. Meist geschieht es, weil die Lebensmittel schlicht nicht im Blickfeld waren.

Und wer kennt sie nicht, die hektische Suche nach einem bestimmten T-Shirt. Eilig fliegt der Stapel auseinander, bis endlich das gesuchte Teil auftaucht. Schlimmer noch, bisweilen kauft man ein Kleidungsstück, um später festzustellen, dass man das nahezu identische Teil bereits in der hintersten Ecke des Kleiderschranks gelagert hatte.

Daher kommt es beim Einräumen an, zukünftig alle Teile im Blick zu halten. T-Shirts, Socken, Tops, Hosen, Handtücher etc. können gefaltet und im Anschluss gerollt werden. Die gerollten Teile werden danach in eine Schublade oder Kiste einsortiert so dass zukünftig jedes einzelne Teil auf den ersten Blick sichtbar ist. Bücher in der zweiten Reihe haben ausgedient.

 Stapel jeglicher Art sind nur dann eine Lösung, wenn jedes Teil des Stapels klar identifizierbar ist. Hat man einen ersten Bereich durchsortiert, bekommt man ein gutes Gefühl, wie viele Kisten man braucht und mit welchen Kisten man am besten zurecht kommt.

Gleich und gleich

Das zweite allgemeine Prinzip lautet: Gleiches zu Gleichem. So stellt man auf einen Blick fest, dass man zwar drei Flaschen Ahornsirup aber nur eine Packung des heißgeliebten Meersalzes besitzt, das man täglich mehrmals braucht. 

Im Kleiderschrank ist die Ordnung nach Art des Kleidungsstückes und dann nach Farben sinnvoll beziehungsweise die Trennung nach spezifischen Funktionalitäten wie Sommer und Winter, Sportarten, Ballkleidung etc.

Anziehen – der ultimative Härtetest

Auch wenn es Zeit und Nerven kostet: Es lohnt sich, jedes Kleidungsstück, das wieder zurück in den Kleiderschrank soll, zuvor einmal anzuziehen. Deshalb die Empfehlung des großen Spiegels und des harschen Tageslichtes. Sie können sich denken, warum.

Allein oder zu zweit

Sich von Gegenständen zu trennen, ist emotional nicht immer einfach. Wir verbinden Gegenstände oft mit verklärten Momenten der Vergangenheit. Da kann die hochgezogene Augenbraue eines konstruktiven Freundes helfen, wenn wir beginnen zu argumentieren, warum wir an manchen Gegenständen hängen.

Ein professioneller Aufräumberater, dessen Honorar in der Regel nach Stunden oder Tagen abgerechnet wird, kann ebenso hilfreich sein, Entscheidungsprozesse zu beschleunigen und unter Beobachtung nicht mehrmals Dinge, von denen man sich eigentlich trennen wollte, wieder aus der Mülltüte zu ziehen.

Entscheidungskriterien

Siehe auch
Die Ingwerwurzel hat viele Heilkräfte

Marie Kondo, die wohl bekannteste Aufräumberaterin rät zu überlegen, ob einem der Gegenstand Freude bereitet und nur die Gegenstände zu behalten, die nach wie vor Freude bereiten. Das funktioniert mit manchen Dingen, aber nicht mit allen.

Meistens beginnen wir Gründe, Dinge behalten zu wollen, die uns keine sonderliche Freude bereiten. Wir oder unsere Eltern haben einmal dafür viel Geld bezahlt, das Kleidungsstück tragen wir schon seit Jahren nicht mehr, könnten es aber vielleicht im Alter benötigen. Der Gegenstand war ein Geschenk und wir möchten nicht herzlos erscheinen. Der Möbelstück ist ein Erbstück und wir haben mit unserer Trauer noch nicht abgeschlossen.

Radikales Ausräumen ist die beste Therapie

Wenn wir beim Ausräumen auf Gegenstände treffen, von denen wir gar nicht mehr gewusst haben, dass wir sie besitzen, haben sie uns offensichtlich nicht gefehlt.

Wenn wir Freunden beim Ausräumen helfen und das Ausräumen kein Ende nimmt. bekommen wir oft ein distanzierteres Bild zum Umfang unserer eigenen Besitztümer.

Sich von Gegenständen zu trennen, ist nie herzlos, wenn sich andere darüber freuen können.

Geteilte Freude ist doppelte Freude 

Beim radikalen Aufräumen gibt es bei den meisten von uns am Ende eine große Menge an Gegenständen, von denen wir uns trennen möchten, die jedoch für einen anderen Menschen einen Wert darstellen. Der Recycling-Hof sollte daher die letzte Möglichkeit darstellen.

Es gibt zahlreiche Online-Plattformen, auf denen Sie Dinge verkaufen können, Kleidung, Bücher, Haushaltsgegenstände, Möbel etc.. In jeder Stadt gibt es Sozialkaufhäuser, Kleiderkammern, Soziale Einrichtungen, Antiquitätenhändler, Bücherschränke.

Nach dem ersten radikal aufgeräumten Schrank oder dem ersten komplett aufgeräumten Zimmer bekommt man ein ganz gutes Gefühl, wer welche Dinge brauchen kann oder wer Ihnen helfen kann und wem Sie helfen können.

Weniger bedeutet mehr Euphorie

Ein wenig von links nach rechts zu räumen, bereitet nicht wirklich Vergnügen. Einen gesamten Schrank oder ein Zimmer radikal aufgeräumt und neu strukturiert zu sehen, erzeugt Euphorie und das Gefühl eines frischen Starts mit weniger Ballast.

So bleibt die Euphorie

Neues kommt nur, wenn dafür ein bisheriger Gegenstand geht, lautet hier die einfache Regel. Wenn Sie auf der letzten Seite des Buches angekommen sind, fällt Ihnen garantiert ein Zweitleser ein, dem Sie genau mit diesem Buch eine Freude machen können. Ein neues Kleidungsstück kommt nur dann in den Schrank, wenn ein altes dafür geht.

Wenn das nicht zutrifft, überlegen Sie ehrlich, warum Sie jetzt gerade etwas kaufen möchten. Geht es wirklich um den Gegenstand, oder haben Sie sich furchtbar geärgert, hat Sie eine Entscheidung frustiert oder traurig gemacht, haben Sie das Gefühl, Ihnen ist etwas außer Kontrolle geraten? 

Es gibt viele Gründe zu kaufen und wir selbst wissen im Grunde, dass die Euphorie beim Click auf den Warenkorb oder beim Verlassen des Geschäftes oft nicht sehr lange andauert und am Grundproblem nichts ändert.

Oft hilft die Erinnerung an den radikalen Ausräumprozess und die Zeit, die man dafür investiert hat, anstatt sich an den bestehenden Dingen zu erfreuen. Die Zeit vor Sales-Events jeder Art (Ob Black Friday oder Sommerschlussverkauf) sind gute Zeiten, mit dem radikalen Ausräumen zu beginnen.

Und die neue Übersichtlichkeit hilft zu sehen, dass sie bereits fünf Pfeffermühlen besitzen und dass Ihr Weihnachtskartenvorrat bis zum Jahr 2090 reicht.

Sie können frei entscheiden

Sind die Dinge, von denen man sich trennen will, erst einmal aus dem Haus, fühlt es sich an, als könne man leichter atmen und unbeschwerter in die Zukunft schauen. Und das Seltenste und Schönste: Das Aufräumen ist eine der wenige Dinge, die wir komplett in der eigenen Hand haben.

 Wer einmal die Wohnung eines anderen Menschen komplett auflösen musste, nimmt sich danach meist vor, im eigenen Heim nun auch radikal Ordnung zu schaffen und die Anzahl der Dinge zu reduzieren, um möglichst niemand anderen diese Aufgabe aufzubürden. Wenn also nach dieser emotional schwierigen Aufgabe noch Energie da ist, fangen Sie mit dem nächsten radikalen Aufräumen an.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

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